Schwesterlein, komm tanz mit mir
den Geschwindigkeitsrekord seiner High-School über eine Meile hielt.
Sein rötlichbraunes Haar war kurz geschnitten. Seine warmen braunen Augen standen weit auseinander. Auf seinem mageren Gesicht erschien bereitwillig ein Lächeln. Instinktiv mochten die Leute Vince D’Ambrosio und vertrauten ihm.
Vince hatte als Offizier zur Untersuchung von Kriminalfällen in Vietnam gedient, nach seiner Rückkehr sein Psychologiestudium abgeschlossen und dann beim FBI begonnen. Vor zehn Jahren hatte er bei der Ausbildungsakademie des FBI in der Marinebasis Quantico in der Nähe von Washington an der Aufstellung des
Violent Criminal Apprehension Program
teilgenommen, eines Programms zur Auswertung von Gewaltverbrechen. VICAP, wie es genannt wurde, war ein computerisiertes nationales Hauptregister, das besonderen Nachdruck auf Serienmorde legte.
Vince hatte soeben einen Kurs geleitet, der Kriminalbeamte aus dem New Yorker Bereich, die in Quantico VICAP-Kurse belegt hatten, auf den neuesten Stand bringen sollte. Der Zweck der heutigen Zusammenkunft war die Mitteilung gewesen, daß der Computer, der scheinbar nicht miteinander verbundenen Verbrechen nachging, ein Warnsignal gegeben hatte. Möglicherweise lief in Manhattan ein Serienmörder frei herum.
Es war das dritte Mal in ebenso vielen Wochen, daß Vince dieselbe ernüchternde Mitteilung gemacht hatte:
«Wie Sie alle wissen, ist VICAP in der Lage, Gemeinsamkeiten in Fällen festzustellen, von denen man vorher annahm, sie hätten nichts miteinander zu tun. Die Analytiker und Ermittler von VICAP haben uns kürzlich auf eine mögliche Verbindung zwischen sechs jungen Frauen hingewiesen, die in den letzten beiden Jahren verschwunden sind.
Sie alle hatten Apartments in New York. Niemand weiß genau, ob sie wirklich
in
New York waren, als sie verschwanden. Sie sind noch immer offiziell als vermißt registriert. Wir glauben inzwischen, daß das ein Fehler ist.
Möglicherweise ist ihnen etwas zugestoßen.
Die Ähnlichkeiten zwischen diesen Frauen sind auffallend. Alle sind schlank und sehr attraktiv. Ihr Alter reicht von zweiundzwanzig bis vierunddreißig. Alle gehören nach Herkunft und Ausbildung der oberen Mittelschicht an. Waren kontaktfreudig. Extravertiert. Und schließlich hatten sie alle angefangen, regelmäßig auf Bekanntschaftsanzeigen zu antworten. Ich bin überzeugt, daß wir es hier mit einem weiteren Serienmörder zu tun haben, der mit Kontaktanzeigen arbeitet, und zwar mit einem verdammt cleveren.
Wenn das stimmt, so sieht das Profil des Täters folgendermaßen aus: gut ausgebildet; kultiviert; Ende Zwanzig bis Anfang Vierzig; physisch attraktiv. Für einen ungeschliffenen Diamanten hätten sich diese Frauen nicht interessiert. Möglicherweise ist er nie wegen eines Gewaltverbrechens verhaftet worden, aber es kann sein, daß er eine jugendliche Vorgeschichte als Voyeur hat oder als jemand, der in der Schule persönliche Gegenstände von Frauen stahl. Sein Hobby könnte Fotografieren sein.»
Die Kriminalbeamten waren gegangen und hatten versprochen, besonders auf Berichte über vermißte junge Frauen zu achten, die in diese Kategorie paßten. Dean Thompson, der Inspektor aus dem Sechsten Revier, blieb hinter den anderen zurück. Vince und er hatten sich in Vietnam kennengelernt und waren seither Freunde geblieben.
«Vince, gestern ist eine junge Frau gekommen, um eine Freundin als vermißt zu melden, Erin Kelley. Sie ist seit Dienstag abend nicht mehr gesehen worden. Sie paßt in das Profil, das du beschrieben hast.
Und
sie hatte auf eine Kontaktanzeige geantwortet. Ich bleibe der Sache auf der Spur.»
«Halt mich auf dem laufenden.»
Vince, der jetzt die Nachrichten auf seinem Schreibtisch durchblätterte, nickte zufrieden, als er sah, daß Nona Roberts ihn angerufen hatte. Er wählte ihre Nummer, sagte ihrer Sekretärin seinen Namen und wurde sofort durchgestellt.
Er runzelte die Stirn, als Nona Roberts mit besorgter Stimme erklärte: «Erin Kelley, eine junge Frau, die ich dazu überredet habe, für meine Dokumentarsendung Bekanntschaftsanzeigen zu beantworten, wird seit Dienstag abend vermißt. Erin wäre nie und nimmer verschwunden, wenn ihr nicht ein Unfall oder Schlimmeres zugestoßen wäre. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.»
Vince schaute auf seinen Terminkalender. Für den Rest des Vormittags hatte er Verabredungen im Haus. Um halb zwei wurde er im Büro des Bürgermeisters erwartet. Absagen konnte er nichts. «Würde Ihnen drei Uhr
Weitere Kostenlose Bücher