Schwesterlein, komm tanz mit mir
wollte nichts kaputtmachen. War die Kette lang genug, um sie ihr über den Kopf zu ziehen? Er versuchte, den strangulierten, mit blauen Adern durchzogenen Hals zu ignorieren, und zerrte an der Kette.
Schmutzige Fingerabdrücke waren auf Erins Gesicht zu sehen, als Petey die Halskette gelöst hatte und in seine Tasche gleiten ließ. Die Ohrringe. Die waren auch gut.
Aus der Ferne hörte Petey das Heulen einer Polizeisirene. Wie ein erschrockenes Kaninchen sprang er auf und vergaß die Ohrringe. Das war kein Ort für ihn. Er würde seine Sachen nehmen und sich eine neue Zuflucht suchen müssen. Wenn die Leiche gefunden wurde, könnte es den Bullen schon reichen, daß er sich bloß hier herumtrieb.
Das Bewußtsein einer möglichen Gefahr machte Petey nüchtern. Stolpernd eilte er zurück in seine Zuflucht. Alles, was er besaß, konnte er in die Armeedecke wickeln.
Sein Kissen. Einige Sockenpaare, etwas Unterwäsche. Ein Flanellhemd. Einen Teller, eine Gabel, eine Tasse.
Streichhölzer. Alte Zeitungen für kalte Nächte.
Fünfzehn Minuten später war Petey in der Welt der Heimatlosen verschwunden. Er schnorrte ein bißchen in der Seventh Avenue und bekam vier Dollar und zweiunddreißig Cents zusammen. Er benutzte sie, um Wein und eine Brezel zu kaufen. In der 57. Straße gab es einen jungen Burschen, der heißen Schmuck verkaufte. Er gab Petey für die Halskette 25 Dollar. «Die ist gut, Mann. Versuch, mehr davon aufzutreiben.»
Um zehn Uhr schlief Petey auf einem U-Bahn-Schacht, der warme, feuchte Luft verströmte. Um elf wurde er wachgerüttelt. Eine nicht unfreundliche Stimme sagte:
«Komm, Junge. Heute nacht wird’s richtig kalt. Wir bringen dich an einen Ort, wo du ein anständiges Bett und eine gute Mahlzeit kriegst.»
Freitag abend um Viertel vor sechs fuhr Wanda Libbey, gemütlich und sicher in ihrem neuen BMW, im Schneckentempo über den West Side Highway. Wanda war zufrieden mit den Einkäufen, die sie in der Fifth Avenue gemacht hatte, aber sie ärgerte sich, weil es so spät geworden war, als sie sich auf den Rückweg nach Tarrytown machte. Die Stoßzeit an Freitagabenden war die schlimmste der ganzen Woche, weil viele New Yorker zu ihren Häusern auf dem Land aufbrachen. Sie wollte nie wieder in New York leben. Zu schmutzig. Zu gefährlich.
Wanda schaute auf die Handtasche von Valentino auf dem Beifahrersitz. Als sie heute morgen auf dem Kinney-Parkplatz ausgestiegen war, hatte sie sie fest unter den Arm geklemmt und den ganzen Tag dort gehalten. Sie war nicht so dumm, sie von ihrem Arm baumeln zu lassen, wo jemand sie packen konnte.
Noch eine verdammte Ampel. Nun ja, nach ein paar Blocks würde sie die Ausfahrt erreichen und diesen schrecklichen Abschnitt des sogenannten Highways hinter sich haben.
Ein Klopfen an der Scheibe ließ Wanda rasch nach rechts schauen. Ein bärtiges Gesicht grinste sie an. Ein Stoffetzen begann mit wischenden Bewegungen über die Windschutzscheibe zu fahren.
Wandas Lippen zogen sich zu einer strengen Linie zusammen. Verdammt. Sie schüttelte heftig den Kopf. Nein.
Nein.
Der Mann ignorierte sie.
Ich lasse mich von solchen Leuten nicht aufhalten, dachte Wanda wütend und drückte heftig auf den Knopf, der das Beifahrerfenster öffnete. «Ich will nicht –» Sie begann zu kreischen. Der Fetzen wurde gegen die Windschutzscheibe geworfen. Eine Flasche mit einer Flüssigkeit fiel von der Motorhaube. Eine Hand griff in den Wagen. Sie sah, wie ihre Tasche verschwand.
Ein Streifenwagen fuhr auf der 55. Straße nach Westen.
Der Fahrer reckte plötzlich den Kopf. «Was ist da los?»
Auf der Zufahrt zum Highway sah er stehenden Verkehr und Leute, die aus ihren Autos stiegen. «Los!» Mit heulender Sirene und eingeschaltetem Blinklicht schoß der Streifenwagen vorwärts und schlängelte sich geschickt zwischen fahrenden Autos und in zweiter Reihe geparkten Fahrzeugen durch.
Noch immer schreiend vor Wut und Frustration, zeigte Wanda auf den einen Block entfernten Pier. «Meine Handtasche. Da ist er hingelaufen.»
«Gehen wir.» Der Streifenwagen steuerte nach links und dann in eine scharfe Rechtskurve, als sie auf den Pier rasten.
Der Polizist auf dem Beifahrersitz schaltete den Scheinwerfer ein; das Zelt wurde sichtbar, das Petey aufgegeben hatte. «Ich schaue drinnen nach.» Dann rief er plötzlich:
«He, da drüben, hinter dem Terminal. Was ist das?»
Die Leiche von Erin Kelley, vom Schneeregen glänzend, mit einem silbrigen Schuh, der im mächtigen Strahl des
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