Schwesterlein, komm tanz mit mir
Eintauchen.»
Fast vierzig Jahre später brachte die Erinnerung den heimatlosen Penner Petey Potters noch immer zum Lachen. Er hatte sich selbst eine Zuflucht geschaffen, eine Ansammlung von Holz und Blech und alten Lumpen, aus der er sich im verlassenen Terminal des Piers in der 56.
Straße eine Art Zelt gebaut hatte.
Peteys Bedürfnisse waren schlicht. Wein. Glimmstengel.
Ein bißchen Essen. Papierkörbe waren eine ständige Quelle von Dosen und Flaschen, die man gegen Pfand abgeben konnte. Wenn er ehrgeizig war, nahm Petey einen Fensterwischer und eine Flasche mit Wasser und stellte sich an die Ausfahrt des West Side Highway in der 56. Straße.
Kein Fahrer wollte sich von ihm die Autofenster verschmieren lassen, aber die meisten hatten Angst, ihn wegzuwinken. Erst letzte Woche hatte er gehört, wie eine alte Krähe zur Fahrerin eines Mercedes gesagt hatte: «Jane, wieso läßt du es dir gefallen, daß man dich so aufhält?»
Die Antwort hatte Petey Spaß gemacht: «Weil ich nicht möchte, Mutter, daß er mir den Kotflügel zerkratzt, wenn ich ablehne.»
Aber Petey zerkratzte nichts, wenn er abgewiesen wurde.
Er ging einfach weiter zum nächsten Wagen, bewaffnet mit seiner Wasserflasche, ein aufforderndes Lächeln im Gesicht.
Gestern war einer der guten Tage gewesen. Gerade genug Schnee, um den Highway mit Matsch zu bedecken, der von den Reifen der vorderen Wagen auf die Windschutzscheiben der hinteren spritzte. Kaum jemand hatte sich Peteys Dienstleistungen an der Ausfahrt verbeten. Er hatte 18 Dollar eingenommen, genug für ein Jumbo-Sandwich, Zigaretten und drei Flaschen spanischen Rotwein.
Gestern abend hatte er sich in seinem Zelt niedergelassen, in die alte Armeedecke gewickelt, die die armenische Kirche in der Second Avenue ihm gegeben hatte, eine Skimütze auf dem Kopf, die ihn warm hielt, und in einem zerlumpten Mantel, dessen mottenzerfressener Pelzkragen behaglich seinen Hals einhüllte. Das Sandwich hatte er zur ersten Flasche Wein gegessen, und dann hatte er geraucht und weiter getrunken, zufrieden und warm in seiner trunkenen Benommenheit. Pop, der eintaucht. Mutter, die in die Wohnung in der Tremont Avenue zurückkommt, müde vom Putzen bei anderen Leuten. Birdie, seine Frau.
Harpie,
nicht Birdie. So hätten sie sie nennen sollen.
Petey zitterte vor Heiterkeit über das Wortspiel. Wo mag sie jetzt wohl sein? Und das Kind? Nettes Kind.
Petey war nicht sicher, ob er einen Wagen heranfahren hörte. Er versuchte krampfhaft, richtig wach zu werden, weil er instinktiv sein Territorium schützen wollte. Hoffentlich keine Bullen, die sein Zelt abreißen wollten. Nee.
Mitten in der Nacht gaben sich die Bullen nicht mit solchen Kleinigkeiten ab.
Vielleicht ein Junkie. Petey packte den Hals einer leeren Weinflasche. Sollte bloß keiner versuchen, hier hereinzukommen. Aber niemand kam. Nach ein paar Minuten hörte er den Wagen wieder anfahren; vorsichtig spähte er nach draußen. Die Rücklichter verschwanden auf dem leeren West Side Highway. Vielleicht mußte jemand pinkeln, entschied Petey, während er nach der letzten Flasche griff.
Als Petey die Augen wieder öffnete, war später Nachmittag. Sein Kopf fühlte sich leer an und dröhnte. In seinen Eingeweiden brannte es. Sein Mund war wie der Boden eines Vogelkäfigs. Er rappelte sich auf. Die drei leeren Flaschen boten keinen Trost. In den Manteltaschen fand er zwanzig Cents. Ich habe Hunger, jammerte er im stillen.
Er streckte den Kopf hinter der Blechplatte hervor, die ihm als Tür diente, und entschied, es müsse später Nachmittag sein. Auf dem Dock lagen lange Schatten. Seine Augen versuchten, sich auf etwas zu konzentrieren, das eindeutig kein Schatten war. Petey blinzelte, murmelte halblaut einen Fluch und stand mühsam auf.
Seine Beine waren steif und sein Gang unbeholfen, als er taumelnd auf das zuging, was da auf dem Pier lag.
Es war eine schlanke Frau. Jung. Rote Locken umgaben ihr Gesicht. Petey war sicher, daß sie tot war. Eine Halskette war in ihren Hals gedreht. Sie trug eine Bluse und Hosen. Ihre Schuhe paßten nicht zusammen.
Die Halskette glitzerte im verblassenden Licht. Gold.
Richtiges Gold. Nervös leckte Petey sich die Lippen. Er wappnete sich gegen den Schock, das tote Mädchen zu berühren, und griff um ihren Hals nach dem Verschluß der fein gearbeiteten Halskette. Seine Finger fummelten ungeschickt herum. Sie waren dick und zittrig und konnten den Verschluß nicht öffnen. Himmel, sie fühlte sich kalt an.
Er
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