Schwesterlein, komm tanz mit mir
stammten von dem Einkaufsbummel am Rodeo Drive, auf dem ihre Mutter bestanden hatte. «Für ein so hübsches Mädchen achtest du einfach zu wenig auf deine Kleidung, Liebling», hatte ihre Mutter sich aufgeregt. «Du solltest deinen wunderbar ätherischen Typ unterstreichen.»
Von einer irischen Vorfahrin hatte Darcy nicht nur ihren Vornamen, sie hatte auch die gleichen, weit auseinander-stehenden Augen, mehr grün als braun, das gleiche weiche braune Haar mit den goldenen Lichtreflexen, die gleiche gerade Nase. Nur war sie nicht so zierlich wie die frühere Darcy, und sie hatte nie vergessen, wie sie mit sechs Jahren zufällig einen Regisseur sagen hörte: «Wie ist es möglich, daß zwei so schöne Menschen ein so unansehnliches Kind in die Welt setzen?» Sie erinnerte sich noch, daß sie sich ganz still verhalten und den Schock in sich aufgenommen hatte.
Nachdem sie heute morgen vom Kennedy-Airport aus ihr Gepäck in ihre Wohnung gebracht hatte, war sie direkt ins Büro gefahren, ohne sich noch die Zeit zu nehmen, ihre übliche Arbeitskleidung anzuziehen, Jeans und einen Pullover. Bev wartete, bis Darcy den ersten Schluck Kaffee getrunken hatte, und griff dann nach den Botschaften.
«Möchten Sie, daß ich anfange, diese Leute für Sie zurückzurufen?»
«Ich möchte mich zuerst rasch bei Erin melden.»
Erin nahm beim ersten Läuten den Hörer ab. Ihr etwas zerstreuter Gruß verriet Darcy, daß sie schon an ihrem Arbeitstisch saß. Im College in Mount Holyoke hatten sie ein Zimmer geteilt. Dann hatte Erin Schmuckdesign studiert.
Kürzlich hatte sie den renommierten N.W.-Ayer-Preis für junge Designer gewonnen.
Auch Darcy hatte ihre berufliche Nische gefunden. Vier Jahre lang hatte sie sich in einer Werbeagentur hochgearbeitet und dann den Beruf gewechselt und sich statt mit Buchhaltung mit preiswerter Innendekoration beschäftigt.
Beide Frauen waren jetzt achtundzwanzig Jahre alt, und sie standen sich noch immer so nahe wie während ihres Zusammenlebens im College.
Darcy konnte Erin an ihrem Arbeitstisch vor sich sehen, gekleidet in Jeans und einen weiten Sweater, das rote Haar mit einer Spange oder als Pferdeschwanz zurückgebunden, in ihre Arbeit vertieft, ohne äußere Ablenkungen wahrzunehmen.
Auf das zerstreute «Hallo» folgte ein freudiger Juchzer, als Erin Darcys Stimme hörte.
«Du arbeitest», sagte Darcy. «Ich stör dich nicht lange.
Wollte nur sagen, daß ich wieder da bin, und natürlich wollte ich mich erkundigen, wie es Billy geht.»
Billy war Erins Vater. Er war bettlägerig und lebte seit drei Jahren in einem Pflegeheim in Massachusetts.
«Ziemlich unverändert», antwortete Erin.
«Was macht das Collier? Als ich dich am Freitag anrief, schienst du besorgt zu sein.» Unmittelbar nach Darcys Abreise im vorigen Monat hatte Erin vom Juweliergeschäft Bertolini den Auftrag bekommen, eine Halskette zu entwerfen, in die die Familienjuwelen eines Kunden eingearbeitet werden sollten. Bertolini war gleichrangig mit Cartier und Tiffany.
«Da hatte ich noch Angst, der Entwurf sei nicht zu verwirklichen. Er war wirklich ziemlich kompliziert. Aber alles ist gutgegangen. Morgen früh liefere ich die Kette ab, und ich muß sagen, ich finde sie selbst sensationell. Wie war Bel-Air?»
«Glamourös.» Sie lachten beide. Dann sagte Darcy:
«Und wie steht’s mit dem Bekanntschaften-Projekt?»
Nona Roberts, Redakteurin bei Hudson Cable Network, einem Kabelsender, hatte sich im Fitneßclub mit Darcy und Erin angefreundet. Nona bereitete einen Dokumentarfilm über Bekanntschaftsanzeigen vor – über die Art von Leuten, die solche Anzeigen aufgaben und beantworteten, und deren gute oder schlechte Erfahrungen. Nona hatte Darcy und Erin gebeten, ihr bei den Recherchen zu helfen und auf einige der Anzeigen zu antworten. «Ihr braucht niemanden mehr als einmal zu treffen», hatte sie sie gedrängt. «Fast alle Singles im Sender machen mit, und es gibt eine Menge zu lachen. Wer weiß, vielleicht lernt ihr ja auch jemand ganz Tolles kennen. Wie auch immer, überlegt’s euch mal.»
Erin, die eigentlich die Kühnere war, hatte ungewöhnlich widerstrebend reagiert. Darcy hatte sie überzeugt, daß es vielleicht Spaß machen könnte. «Wir geben selbst keine Annoncen auf», meinte sie. «Wir beantworten nur ein paar, die interessant aussehen. Wir geben auch unsere Adressen nicht an, nur eine Telefonnummer. Und wir treffen die Männer an öffentlichen Orten. Was haben wir da zu verlieren?»
Vor sechs
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