Schwesterlein, komm tanz mit mir
ausschrieb.
Am Mittwoch rief sie Carol Harkness an. «Heute abend hat mein Mann eine seiner berühmten Nicht-Konferenzen.»
«Wir werden Joe Pabst, einen unserer besten Leute, auf ihn ansetzen», wurde ihr versichert.
Am Donnerstag erstattete Pabst, ein kräftig gebauter Mann mit jovialen Zügen, seiner Chefin Bericht. «Der Kerl hat mich ganz schön in Trab gehalten. Er verläßt sein Büro, fährt im Taxi nach ‹London Terrace›. Er hat dort ein Apartment, das ihm der Besitzer, ein Ingenieur namens Carter Fields, für zwei Jahre untervermietet hat. Er ist als Douglas Fields registriert. Praktisch. Auf diese Weise kommt keiner hinter die illegale Untervermietung, und von seiner Familie und aus seinem Büro findet ihn niemand. Außerdem haben die beiden Namen dieselben Initialen. Das ist ein Glücksfall. Er braucht sich also keine Sorgen über das Monogramm auf seinen Manschettenknöpfen zu machen.»
Mit widerwilliger Bewunderung schüttelte Pabst den Kopf.
«Die Nachbarn glauben, er sei Illustrator. Der Hausmeister erzählte mir, er habe eine Menge gerahmter Federzeichnungen in der Wohnung hängen sehen. Ich habe dem Hausmeister die Schwindelgeschichte erzählt, Fields käme für einen Regierungsauftrag in Frage, und ihm die üblichen zwanzig Dollar gegeben, damit er den Mund hält.»
Mit ihren achtunddreißig Jahren sah Carol Harkness aus wie einer der weiblichen Manager in den AT&T-Werbespots. Nur eine goldene Reversnadel zierte ihr gut-geschnittenes schwarzes Kostüm. Ihr aschblondes Haar trug sie schulterlang. Die haselnußbraunen Augen zeigten einen kühlen, unpersönlichen Ausdruck. Als Tochter eines Inspektors der Polizei von New York City lag die Liebe zur Polizeiarbeit ihr im Blut.
«Ist er dort geblieben oder ausgegangen?» fragte sie.
«Ausgegangen. Gegen sieben Uhr. Sie hätten sehen sollen, wie verändert er war. So frisiert, daß sein Haar ganz lockig wirkte. Pullover mit hoch angeschnittenem Hals.
Jeans. Lederjacke. Verstehen Sie mich nicht falsch, er sah nicht billig aus. Eher so, wie Künstlertypen mit Geld sich anziehen. Er traf sich in einer Bar in SoHo mit einem Mädchen. Attraktiv. Um die Dreißig. Sie hatte Klasse. Ich saß am Tisch hinter ihnen. Sie nahmen ein paar Drinks, und dann sagte sie, sie müsse gehen.»
«Wollte sie ihn loswerden?» fragte Carol Harkness schnell.
«Ganz und gar nicht. Sie hatte nur Augen für ihn. Er ist ein gutaussehender Bursche und kann charmant sein, wenn er will. Sie haben eine Verabredung für Freitag abend. Sie wollen in irgendeinem Nachtclub in der Innenstadt tanzen gehen.»
Mit vor Konzentration gerunzelter Stirn studierte Vince D’Ambrosio den Autopsiebericht über Erin Kelley. Er besagte, daß sie etwa vier Stunden vor ihrem Tod gegessen hatte. Ihr Körper wies keine Anzeichen von Zersetzung auf. Ihre Kleidung war von Nässe durchweicht. Diese Tatsachen waren ursprünglich dem kalten, matschigen Wetter am Tag ihres Auffindens zugeschrieben worden. Die Autopsie ergab, daß ihre Organe teilweise aufgetaut waren.
Der Mediziner schloß daraus, daß man ihren Leichnam unmittelbar nach dem Tod eingefroren hatte.
Eingefroren! Warum? Weil es für den Mörder zu gefährlich war, sich der Leiche sofort zu entledigen? Wo hatte er sie aufbewahrt? War sie am Dienstag abend gestorben?
Oder war es möglich, daß sie irgendwo gefangengehalten wurde und erst am Donnerstag starb?
Hatte sie vorgehabt, den Beutel mit den Brillanten in das Schließfach zu bringen? Allen Schilderungen nach war Erin Kelley eine intelligente junge Frau. Sie schien ganz gewiß nicht der Typ, der einem Fremden anvertraut, daß er ein Vermögen an Juwelen in seiner Handtasche bei sich trägt.
Oder doch?
Sie hatten die Identität der Männer überprüft, die einige der Anzeigen aufgegeben hatten, von denen sie annahmen, Erin habe sie beantwortet. Bislang war bei allen ungefähr das gleiche herausgekommen wie bei diesem Rechtsanwalt North. Hieb- und stichfeste Alibis, wo sie an dem fraglichen Dienstag abend gewesen waren. Einige von ihnen holten die Zuschriften bei den Zeitschriften oder Zeitungen, in denen sie inseriert hatten, selbst ab. Drei der Nachsendeadressen für die anderen erwiesen sich als Postfächer. Vermutlich verheiratete Männer, die nicht Gefahr laufen wollten, daß ihre Frauen die Briefe öffneten.
Es war fast fünf, als Vince einen Anruf von Darcy Scott erhielt. «Ich wollte schon den ganzen Tag mit Ihnen reden, aber ich hatte außerhalb des Büros zu tun»,
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