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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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sie, dass sie Mikke tief in ihrem Inneren nur zu gern glauben wollte. Auch wenn es vielleicht nur darum ging, sich nicht eingestehen zu müssen, dass sie sich in ihm geirrt hatte! Aber wo war dann Marie, war ihr nächster Gedanke, was war mit ihr geschehen? Wenn Mikke nichts mit ihrem Verschwinden zu tun hatte, wer dann?
    Mikke starrte sie unverändert mit glasigen Augen an, als würde er darauf warten, dass sie endlich zu dem Schluss käme, seine Erklärungen ganz einfach akzeptieren zu müssen. Und plötzlich war sie sich sicher, dass er ihr nichts vorspielte – er wollte sie nicht von irgendetwas überzeugen, um sich zu retten, sondern er hatte die Wahrheit gesagt!
    Aber Julia war immer noch nicht bereit, einfach so aufzugeben.
    »Letzten Sommer«, sagte sie leise, »wo warst du da? Im August! Was hast du da gemacht?«
    Seine Antwort kam fast tonlos, als hätte er längst resigniert und würde ihr ab sofort jede Frage beantworten, auch wenn er den Zusammenhang nicht verstand.
    »Bei meinen Eltern in Kirkenes. Du kannst sie anrufen, wenn du willst, ich geb dir die Nummer, warte …«
    Er beugte sich vor, um sein Handy aus der Lederjacke zu holen, die neben dem Bett auf dem Boden lag. Mitten in der Bewegung hielt er inne und drehte den Kopf zur Tür.
    Julia hatte die Schritte auf der Treppe ebenfalls gehört.
    Angel, dachte sie, die Punkerin war ihr doch noch gefolgt. Aus welchem Grund auch immer …
    »Weiß irgendjemand, dass du hier bist?«, fragte Mikke flüsternd.
    »Kann sein«, antwortete Julia ausweichend.
    Sie hatte das Gefühl, dass Mikke wieder Angst hatte. Aber vielleicht war das eben auch so, wenn man irgendwo illegal wohnte.
    Den Typen, der gleich darauf in der Tür stand, hatte sie noch nie zuvor gesehen. Das Erste, was ihr an ihm auffiel, waren seine Augen, die unangenehm stechend wirkten. Dass er nicht rasiert war und eine vor Dreck starrende Baseballcap unter der Kapuze trug, verstärkte den Eindruck, dass irgendeine unklare Gefahr von ihm ausging. Erst dann wanderte Julias Blick über den Jogginganzug bis zu dem blutverkrusteten Turnschuh an seinem rechten Fuß, als sie erschrocken wieder aufsah, musterte er sie mit einem spöttischen Zug um den Mund, den sie nicht deuten konnte.
    Aber er schien in keiner Weise überrascht, sie hier zu sehen, fast so, als würde er sie kennen und hätte damit gerechnet, sie anzutreffen.
    »He, wer bist du? Was willst du hier?«, fragte Mikke hinter ihr mit einem deutlichen Anflug von Panik in der Stimme.
    Er ist also kein Kumpel von Mikke, der ihn besuchen will, folgerte Julia, er ist aus einem anderen Grund hier.
    Der Typ reagierte nicht auf Mikkes Frage. Als gäbe es Mikke gar nicht. Er schien sich ausschließlich für Julia zu interessieren. Als er über die Matratze stieg und nach der Zeitung mit Maries Foto auf dem Boden griff, wich sie unwillkürlich ein Stück zurück.
    Seine Frage ließ ihr eine Gänsehaut über den Rücken kriechen.
    »Deine Freundin, oder?«
    »Wieso … woher weißt du das? Wer bist du?«
    »Willst du sie noch mal sehen?«
    »Was?«
    »Marie. Willst du sie sehen?«
    Julia spürte, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper verspannte.
    »Woher kennst du ihren Namen? Weißt du, wo sie ist?« Als er keine Antwort gab, schrie sie fast: »Natürlich will ich sie sehen! Ich … ich bin fast verrückt vor Angst um sie! Ich habe keine Ahnung, was mit ihr passiert ist! Wenn du irgendwas weißt, dann …«
    »Wenn du willst, dann bringe ich dich zu ihr. Aber wir müssen uns beeilen.«
    Julia sprang auf.
    »Spinnst du?«, kam es von Mikke. »Du kannst doch jetzt nicht einfach so … He, warte, ich komme mit!«
    Er rappelte sich mühsam hoch und griff nach seinen Schuhen. Der Typ mit der Baseballcap machte einen schnellen Schritt nach vorne, mit einem Tritt beförderte er die Schuhe aus Mikkes Reichweite.
    »Nur Julia. Du bleibst hier. Und du rührst dich nicht vom Fleck, ist das klar?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich zur Tür. Er schien nicht einen Moment daran zu zweifeln, dass Julia ihm folgen würde.

MERETTE
    Sie lehnte kraftlos an der Kühlerhaube von Jan-Oles Campingbus. Eine Streifenpolizistin hatte ihr einen Becher Kaffee in die Hand gedrückt und redete beruhigend auf sie ein.
    »Wir finden Ihre Tochter, ganz bestimmt. Vielleicht ist auch alles nur ein Missverständnis, vielleicht ist sie nur zum Einkaufen und kommt gleich zurück.«
    »Ganz sicher nicht«, sagte Merette und schüttelte den Kopf. »Seien Sie mir nicht böse,

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