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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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ich weiß, dass Sie es nur gut mit mir meinen, aber ich muss nachdenken.« Sie tastete nach den Zigaretten in ihrer Tasche. »Wollen Sie auch eine?«
    Die Polizistin nickte, Merette gab ihr Feuer.
    Ein paar Schaulustige drängten sich neugierig näher. Der Kollege der Polizistin hatte Mühe, sie zurückzuhalten.
    Für einen kurzen Moment brach die Sonne durch die Wolken. Das Licht erschien Merette seltsam grell und hart, wie unwirklich. Als sich die nächste Wolke vor die gleißende Scheibe schob, atmete sie erleichtert auf.
    Einige Meter weiter brüllte Jan-Ole immer noch auf die beiden Zivilbeamten ein. Der Junge aus dem Haus stand mit hochgezogenen Schultern neben ihnen, die Hände tief in die Taschen seiner Baggies vergraben. Sein Gesicht wirkte trotzig, als wäre er zu Unrecht in etwas verwickeltworden, was ihn nichts anging. Irgendetwas an seiner Haltung vermittelte Merette das Gefühl, dass er es dennoch genoss, mitanzuhören, wie die Beamten zur Schnecke gemacht wurden.
    »Das kann doch alles nicht wahr sein!«, brüllte Jan-Ole. »Ihr habt also nichts Besseres zu tun gehabt, als euch einen kleinen Sprayer zu schnappen, um ihn wegen ein bisschen Graffiti dranzukriegen? Ist das eure Vorstellung von einer Observation? Wie bescheuert muss man eigentlich noch sein?«
    Jan-Ole griff sich mit beiden Händen an den Kopf und starrte für einen Moment auf den Boden. Die beiden Zivilbeamten wagten nicht, sich zu rühren. Aber dafür trat der Junge jetzt einen Schritt auf Jan-Ole zu und tippte ihm gegen den Arm.
    »Entschuldigung, kann ich jetzt meine Spraydosen wiederhaben?«
    Jan-Ole fuhr herum. »Mach, dass du wegkommst! Hau ab, bevor ich es mir anders überlege!«
    Der Junge zuckte mit der Schulter und drehte sich zögernd um. Nach ein paar Schritten fing er an zu rennen.
    Aus einer plötzlichen Intuition heraus stellte sich ihm Merette in den Weg und stoppte ihn.
    »Warte, bleib mal stehen!«
    »Was? Was wollen Sie von mir? Lassen Sie mich in Ruhe!«
    Die Streifenpolizistin trat neben Merette, ihre Hand wanderte demonstrativ zu der Pistolentasche an ihrem Koppel.
    Der Junge verdrehte die Augen, aber er machte keine Anstalten mehr abzuhauen.
    »Ich kenn dich«, sagte Merette. »Du gehörst doch zu derFamilie im ersten Stock. Ich habe vor ein paar Tagen mit deiner Mutter gesprochen, da haben wir uns gesehen.«
    »Kann schon sein. Ja und?«
    Irgendetwas an seiner Reaktion bestärkte Merette darin, dass sie auf der richtigen Spur war. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Jan-Ole näher kam, aber dann wie unbeteiligt vor dem Camper stehen blieb und seinen Tabak aus der Tasche holte.
    »Du kennst mich ganz genau. Und du kennst auch meine Tochter Julia.«
    »Klar, sie wohnt ja im selben Haus.«
    »Stehst du auf sie?«
    »Was? W…wieso, was geht Sie das an?«
    Er wurde schlagartig rot und versuchte seine Verlegenheit zu überspielen, indem er einen Spuckeflatschen direkt neben die Stiefel der Streifenpolizistin platzierte.
    »Das Problem ist nur, dass sie ein bisschen zu alt für dich ist«, machte Merette weiter. »Aber wenn sie ein Problem hätte, würdest du ihr sofort helfen, richtig? Du würdest alles für sie tun, um ihr zu beweisen, dass du ein echter Kumpel bist, auf den sie sich verlassen kann. Also, was hat sie zu dir gesagt?«
    »Nichts weiter! Nur dass sie noch mal kurz …« Er biss sich auf die Lippe und starrte Merette trotzig an.
    Merette tat so, als hätte sie seine Antwort ohnehin schon gekannt. »Dass sie noch mal kurz wegmüsste. Aber dass da ein Wagen auf der Straße stehen würde, der das Haus beobachtet. Und du solltest ihr helfen, unbemerkt aus der Toreinfahrt zu kommen.«
    »Nee, das mit dem Wagen habe ich ihr ja erst erzählt. Sie wusste überhaupt nichts davon, aber ich hab die Zivilbullengesehen, als ich mir was vom Kiosk geholt habe. Und am Anfang habe ich ja auch gar nicht wirklich gedacht, dass es irgendetwas mit ihr zu tun haben könnte. Ich wollte nur … Was soll das überhaupt?«
    »Du wolltest dich nur ein bisschen aufspielen, schon klar. Aber dann …«
    »Dann war es so, wie Sie gesagt haben«, platzte er heraus. »Stimmt schon, sie hat mich um einen kleinen Gefallen gebeten. Na und, ist doch nicht verboten, oder?«
    »Ist nicht verboten, nein. Aber du musst dir auch nichts darauf einbilden. Ich hoffe nur, dass es dir nicht irgendwann …«
    »Ist gut, Merette«, mischte sich Jan-Ole ein. Er trat seine Zigarette auf dem Pflaster aus, bevor er sich an den Jungen wandte. »Sonst hat sie

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