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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Wolff
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das alles nicht, das musst du mir glauben. Ich wollte dich nicht verarschen, echt nicht. Ich wollte dir sowieso alles erzählen, neulich. Schon als ich bei dir war, aber dann …«
    »Was?«, blaffte Julia ihn an, als er den Satz wieder nicht zu Ende brachte. »Was wolltest du mir erzählen? Dass du gar kein Tontechniker bist? Oder dass du auch gar nicht aus Kirkenes kommst, sondern aus Oslo? Dass du gar nicht Mikke heißt, sondern … was weiß ich, Carlos? Oder ist das auch nur erfunden? Dass du dir die Haare färbst, weil du nicht wolltest, dass dich irgendjemand erkennt? Dass du dich hier in diesem Loch verkrochen hast, weil keiner wissen soll, wo du wohnst? Oder vielleicht wolltest du mir jasogar erzählen, wie du rausgekriegt hast, dass ich Maries Freundin bin und dass sie mich besuchen wollte? Denn darum ging es doch die ganze Zeit, du hast dich nur wegen Marie für mich interessiert, das war von Anfang an dein Plan! Und jetzt will ich wissen, was du mit ihr gemacht hast. Los, antworte mir oder …«
    Sie griff in ihre Tasche, bis ihre Finger die glatte Oberfläche der Pfefferspraydose fühlten. Sie wusste, dass sie Mikke damit nicht wirklich zu irgendetwas zwingen konnte, aber sie war fest entschlossen, das Spray zu benutzen. Im Moment wollte sie ihn allerdings nur glauben machen, dass sie tatsächlich eine Waffe hätte, und er reagierte prompt. Er rollte sich zusammen wie ein kleines Kind, die Arme schützend über dem Kopf, er hatte Angst vor ihr!
    »Du redest dir da was ein«, keuchte er, »das stimmt alles überhaupt nicht! Ich habe nichts mit Marie zu tun, glaub mir, ich kenne sie gar nicht. Und ich war auch nie in Oslo, das habe ich denen im Studio nur erzählt, weil ich dachte, dass es dann leichter wäre, den Job zu kriegen! Kapierst du nicht, es ist alles ganz anders! Ich habe noch nie vorher eine Frau wie dich getroffen, und als ich gemerkt habe, dass ich dabei bin, mich in dich zu verlieben, habe ich Schiss gekriegt. Ich hab die ganze Zeit nur noch Angst gehabt, dass du mich abschießt, wenn du merkst, dass ich … nichts Besonderes bin. Dass ich keinen richtigen Job habe und noch nicht mal eine Wohnung. Und deshalb wollte ich auch nicht, dass deine Mutter mich sieht. Du hattest doch gerade erst erzählt, dass sie Psychologin ist, und ich habe gedacht, sie kriegt bestimmt sofort raus, dass ich dir nur irgendwelchen Scheiß erzählt habe! Aber mit Marie habe ich nichts zu tun«, setzte er noch hinzu, »das musst du mir glauben!«
    »Und die Zeitung? Warum hast du die Zeitung mit ihrem Bild neben deinem Bett liegen?«
    »Mann, weil ich gedacht habe, ich zeig das Bild mal rum! Bei so Leuten, die ich kenne. Es hätte ja sein können, dass irgendeiner was weiß. Ich wollte dir nur helfen, damit du merkst, dass ich nicht der komplette Loser bin, das war alles. Und dann habe ich diese Scheißgrippe gekriegt. Hier fühl selber, ich hab Fieber wie blöd.«
    Mikke nahm die Arme vom Kopf und fasste zögernd nach ihrer Hand, um sie sich auf die Stirn zu legen.
    Im nächsten Augenblick packte Julia zu. Bevor Mikke reagieren konnte, hatte sie mit einem schnellen Griff die Klammer gelöst und zerrte die Binde von seinem Handgelenk. Die Haut darunter war rot und geschwollen, aber von einer Tätowierung war nichts zu sehen.
    »Was soll das?«, jammerte Mikke. »Du tust mir weh! Ich hab doch gesagt …«
    »Woher wusstest du, dass es bei mir im Hof früher eine Hollywood-Schaukel gab?«, stieß Julia hervor.
    »Weil ich da zufällig mal mit so einer Punkfrau war, gleich hier am ersten Abend in der Stadt. Sie kannte den Hof, ich weiß nicht, woher. Und wir haben da ein bisschen rumgeknutscht, wenn du es genau wissen willst. Aber das ist vorbei, ich hab Schluss mit ihr gemacht, als ich dich kennengelernt habe. Oder jedenfalls kurz danach …«
    Julia wusste nicht mehr, was sie noch glauben sollte. Sie war vollständig durcheinander und versuchte verzweifelt, Mikkes Antworten nachzuvollziehen. War es wirklich plausibel, was er gerade alles behauptet hatte? Konnte es sein, dass er dieses eine Mal nicht gelogen hatte? Dass er tatsächlich nichts weiter war als irgendein Typ aus demNorden, der ihr imponieren wollte, um sie ins Bett zu kriegen? Ein Typ, der es geschafft hatte, sie zu faszinieren, einfach weil er so ganz anders war als die meisten anderen. Weil ich seine Macken irgendwie spannend fand, dachte Julia. Und das sollte wirklich alles gewesen sein?
    Es schien ihr zu einfach als Erklärung.
    Gleichzeitig merkte

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