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Schwestern der Angst - Roman

Schwestern der Angst - Roman

Titel: Schwestern der Angst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon
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die Ecke schleudert. In der nächsten Einstellung bereitet das Mädchen das Mittagessen zu. Cracker rieseln aus derselben Packung in Hundeschüssel und Suppenteller. Sie sind für Mensch und jedes Tier geeignet. Das ist der Clou des Produktes. Das Mädchen salzt nur seine Menschenkost und gießt die Flocken mit Heißwasser auf. Der Hund frisst es pur. Man kann es als Suppeneinlage verwenden, und später nascht das Mädchen vom trockenen Kraftfutter wie der Hund, während es die Hausaufgaben macht. Der Hund schmatzt genüsslich zu seinen Füßen. Der Schlusssatz lautet: Vegetarisches Glück.
    Ein Geruchsgemisch aus kaltem Fett, Fisch und Erdäpfeln schlug mir aus dunklem Schlund entgegen, als ich in das Haus drang. Die Tür war so schwer, dass ich sie mit beiden Händen von mir stemmen musste, um den Fuß aus der Klemme zu ziehen und über die Schwelle zu treten. Ihr Leib fiel hinter mir mit Wucht ins Schloss zurück.
    Die Fliesen schimmerten hell, der Marmor hauchte die Kälte eines Mausoleums. Auf Zehenspitzen schlich ich über die alten Kacheln, damit ich nicht als Eindringling ertappt würde. Ich nahm rechts die Treppe, die mich zum Hochparterre führte. Die Türritze der Hausbesorgerwohnung leuchtete dottergelb. Ich vernahm ein Zischen und knatterndes Brutzeln von kaltem Fleisch in heißem Fett. Den Lift meidend, um nicht die Aufmerksamkeit des Hausbesorgers auf mich zu ziehen, stieg ich lautlos im Finstern die Treppe hoch. Die Wände eines Mietshauses haben ja Augen und Ohren, als wären Mauern die Sinnesorgane der Hausbesorger. Ich hörte ein Atmen und roch Gewürze. Radionachrichtensprecherstimmen klangen durch die Küchenfenster, die auf den Gang schauten. Kramen und Schaben so knapp hinter einer Tür, als kröchen Würmer im Holz. Erster Stock, Stille. Zweiter Stock, Stille. Das Summen der Türglocke, das Abheben des Hörers einer Gegensprechanlage. Reparieren Sie die Heizung?, fragte eine dünne Stimme hinter der Tür, Hallo, Hallo, Stimme, Stimme, Summen, Brummen.
    Dritter Stock. Bevor ich zum nächsten Schritt ansetzte und den Treppenabschnitt hochstieg, hörte ich das Klicken einer Klinke, das Drehen eines Schlüssels, das Schleifen und Fegen eines Bartwischs, das Schnalzen eines herausschnappenden Bolzens. Auf einen Schlag fiel Licht durch die geöffnete Tür einer Wohnung in das Dunkel und erleuchtete das Segment des Podestes haarscharf vor mir. Erstarrend spürte ich ein Flattern im Sonnengeflecht. Die Angst vor Entdeckung erregte die Lust auf Entdeckung. Der Lichtkegel blieb wie ausgestochen liegen, kein Schatten tauchte auf, keine Schritte, kein Geräusch eines Bewohners, es herrschte Ruhe. Ich hielt den Atem an, zog den Bauch ein, presste mich an die Wand.
    „Ist jemand hier?“, rief plötzlich eine Stimme herunter zu mir. Die Stimme war weder männlich noch weiblich. Ein Knistern und Rascheln und Hauchen, als drängte der letzte Atemzug aus verknöcherten Bronchien. Sanftes Hinsetzen eines Plastiksackes und Klirren von Glasflaschen ertönten. „Hierher!“, rief es plötzlich durchs Stiegenhaus. Ich erschrak. „Komm!“, rief die Stimme. „Komm!“, hallte es durchs Stiegenhaus. Ich sah nach links und nach rechts nur die Augen bewegend, schwieg, aber schnaufte. Das Knistern wie ein Seufzen und ein sattes Aufsetzen von etwas Schwerem, gefolgt von einem dumpfen Plumps, auf den Kacheln vor der Tür. „Meidest du mich? Warum fliehst du vor mir?“, rief es aus meiner Ecke im Stiegenhausschlund. Ich gab mich nicht zu erkennen. Der Ton war mir zu pathetisch, kein Mensch spricht so. Dann ertönte noch ein sperriges Angebot: „Wir wollen hier uns vereinigen.“ Das war mir wie aus der Seele gesprochen und ich war versucht zu antworten, aber die Stimme kam aus dem Radio. Das Echo ertönte. Ich meinte, darin Maries Stimme zu erkennen, und wollte aus dem Dunkel in das Licht steigen und in ihre Arme laufen, sie an mich drücken und ihr verzeihen, dass sie mich vergessen hatte. Zum Glück war ich zu beeindruckt von dem Pathos und verunsichert und meine Wahrnehmung allzu sensibilisiert auf Nebensächlichkeiten. Da bemerkte ich einen Staubknäuel, der per Zugluft durch den Lichtkegel fegte und mir signalisierte, dass ich mich nicht hinreißen lassen dürfe, denn meine Schwester verdiene meine Liebe nicht. Da tönte es von oben herunter, durch die geöffnete Tür: „Fort! Hände weg! Lass die Umarmung! Eher will ich sterben! Als mich dir schenken!“ Das war wieder die Radiostimme, doch trotzdem

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