Schwestern Des Blutes
vor fünf Jahren gesehen, unmittelbar bevor er aus ihrem Leben verschwunden war.
»Wenn du jetzt sagst, dass es dir leidtut, kastriere ich dich«, sagte sie in einem Tonfall, der sich sogar in ihren eigenen Ohren fremd anhörte.
Payen fuhr zusammen und sah sie unglücklich an. »Violet, ich …«
»Ich meine es ernst, Payen. Ich habe einen silbernen Brieföffner in meinem Sekretär.«
Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. Dass er ihre Drohung nicht ernst zu nehmen schien, war nicht halb so kränkend wie die offensichtliche Tatsache, dass er ihre Hingabe, ausgerechnet in jener Nacht, die ihre Hochzeitsnacht hätte sein sollen, nicht ernst nahm. Er war der einzige Mann, mit dem sie je das Bett geteilt hatte, der einzige, dem sie ihr Herz geschenkt hatte.
Deshalb erlaubte sie ihm nicht, ihr das Gefühl zu geben, sie wäre beschmutzt, weil sie ihn gewählt hatte.
Seine Hand auf die Matratze gestützt, drehte er sich zu ihr. Die Muskeln in seinem Arm wölbten sich unter der straffen goldenen Haut. Ihr Blick wurde über seinen Brustkorb hinunter zu den Laken gelenkt, die seine schmalen Hüften bedeckten. Er war eine wunderschöne Ablenkung, zerstreute ihre Gedanken, indem er ihr Verlangen weckte.
Jedenfalls beinahe.
»Du willst wieder weglaufen«, sagte sie und sah ihm ins Gesicht, das nicht minder atemberaubend als der Rest von ihm war. »Genau wie vor fünf Jahren.«
Er streckte eine Hand aus und legte sie an Violets Wange. Während er sie mit einem Blick betrachtete, bei dem ihr das Herz brechen wollte, streichelte er sie sanft. Es tat entsetzlich weh, dass er sich nicht erlaubte, mit ihr zusammen zu sein. »So schnell ich kann«, antwortete er.
Auch wenn er sie unsagbar wütend machte, konnte sie ihn nicht hassen. »Warum?«
Seine Fingerspitzen streiften ihre Lippen. Die Berührung war so zart und voller Ehrfurcht, dass Violet der Atem stockte. »Du weißt, warum.«
»Sag es«, flüsterte sie heiser, denn ihre Kehle war schmerzlich eng. Violet presste sich das Laken an die Brust, nicht um ihre Blöße zu bedecken, sondern um eine Art Barriere zwischen ihm und ihrem Herzen zu haben. Natürlich nützte das nichts, trotzdem fühlte sie sich so ein bisschen stärker, und es hielt sie davon ab, ihr Gesicht in seine Hand zu schmiegen wie eine vernachlässigte Hauskatze.
Im matten Licht glitzerten seine Augen wie polierte Tigeraugen. »Ich bin ein Vampir.«
»Ich weiß, was du bist.« War sie für ihn ein dummes Kind? Sie wusste seit Jahren, was er war, hatte es längst gewusst, bevor sie ihm ihre Unschuld schenkte. Bevor sie sich in ihn verliebte. Kurz nachdem sie zu Eliza und Henry gekommen war, hatten sie gemeinsam einen abendlichen Ausritt unternommen. Ihr Pferd war erschrocken, als ein Kaninchen vor ihnen über den Weg gehuscht war, es hatte gescheut und war durchgegangen. Payen hatte es eingefangen – zu Fuß. Und falls das nicht hinreichend bewies, dass er nicht menschlich war, dann tat es spätestens der Umstand, dass er heute keinen Tag älter aussah als vor zehn Jahren.
Seine Hand sank von ihrer Wange auf das Laken zurück, aber er bewegte sich nicht weg. Das musste er auch gar nicht, denn er hatte mit seinen Worten eine größere Distanz zwischen ihnen geschaffen, als sie physisch möglich wäre. »Und du bist ein Mensch.«
Ein fadenscheiniges Argument, wie sie beide wussten. »Das lässt sich leicht ändern.« Als er widersprechen wollte – denn ganz so einfach war es bekanntlich nicht –, sagte sie: »Dir sollte etwas Besseres einfallen.«
Seine Reaktion kam so prompt, dass er sie sich vorher überlegt haben musste – wahrscheinlich schon geübt hatte. »Ich habe einen Eid geschworen, niemals jemanden zu wandeln, als ich vom Blutgral getrunken habe.«
»Das ist sehr lange her, Payen.« Lange genug, dass es sich ihrem Verständnis entzog. Was auf Payen selbst gleichfalls zutraf, nur scherte sie das nicht. Sie könnte hundert Jahre alt werden und würde trotzdem hinterher nur einen Bruchteil seines Lebens kennen, aber das machte ihr nichts aus. Sie liebte ihn.
»Ich habe mein Wort gegeben.«
Violet strich sich eine Locke zurück, die ihr über die Schulter gefallen war, und sah ihn streng an. Sie war kein junges Mädchen mehr und ließ ihn nicht noch einmal so leicht davonkommen. »Wen willst du davon überzeugen, dass wir nicht zusammen sein können? Mich oder dich?«
»Dich«, antwortete er ohne Zögern, aber auch ohne jede Boshaftigkeit. Dann lächelte er matt. »Und
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