Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
beim Gedanken an meinen svartanischen Liebhaber, der zwischen Leben und Tod schwebte, die Kehle zu, doch ich rief mich zur Ordnung. Traurig sein konnte ich später, jetzt hatte ich Wichtigeres zu tun.
Chase verzog das Gesicht. »Schon gut, schon gut. Und wer ist der Kerl auf dem Boden?«
»Georgio Profeta, unser geheimnisvoller Besucher, der uns das Notizbuch mit Tom Lanes Foto dagelassen hat. Übrigens, wir haben etwas über Tom herausgefunden. In Wahrheit ist er der Tam Lin aus der Legende. Vor Jahrhunderten hat die Feenkönigin ihn in ihren Bann geschlagen, und seither hat er eine ganze Reihe gut geplanter Leben gelebt. Allerdings erinnert er sich nicht daran, wer er ursprünglich war oder wie alt er wirklich ist.«
»O Mann, das wird ja immer schöner«, stöhnte Chase. »Er ist also so eine Art Highlander , ja?«
Ich runzelte die Stirn, doch dann verstand ich die Anspielung. Es ging um einen Film, den Chase uns vor einiger Zeit empfohlen hatte. Delilah und ich hatten ihn uns angesehen, waren aber nicht beeindruckt gewesen, außer von Christopher Lamberts phantastischer Stimme.
»Nein, nicht so genau. Tom wird am Ende nicht die Welt regieren, und er ist nicht unsterblich, aber vermutlich einer der ältesten Menschen aller Zeiten, dank eines regelmäßigen Gläschens vom Nektar des Lebens.«
»Nektar des Lebens?« Chases Augenbrauen führten einen kleinen Tanz auf. »Wir müssen uns irgendwann mal in Ruhe unterhalten. Also, was tun wir jetzt? Waren die Dämonen da draußen? Und was fangen wir mit dem jungen Gemüse an, das immer noch da drin an den Pfeiler gefesselt ist?«
Ich runzelte die Stirn. Wir sollten sie wirklich in die Anderwelt bringen, damit man sie dort befragen konnte. »Wir nehmen sie mit, was bedeutet, dass sie die ganze Zeit über gut gefesselt und geknebelt sein muss. Unser kleiner Ausflug entwickelt sich allmählich zum Horrortrip, was? Ich werde jetzt Georgio befragen und feststellen, was er vor unserem Haus zu suchen hatte. Wie wäre es, wenn du mit Delilah und Morio nach drinnen gehst und sie für die Rückfahrt verschnürst?«
Chase warf Smoky einen Blick zu. »Kann man dich wirklich mit diesem Ding allein lassen?«
Ich lächelte. »Ja, ich glaube, er mag mich. Ob das gut ist oder nicht, weiß ich noch nicht so recht. Na los, wir müssen hier weg, ehe Bad Ass Luke und Co. zurückkommen. Falls sie kommen, hätte ich Smoky jedenfalls gern auf meiner Seite.«
Chase gab Delilah und Morio einen Wink, und die drei eilten ins Haus. Tom setzte sich und scharrte mit dem Absatz eines Stiefels auf dem Boden herum. Smoky warf mir einen verschleierten Blick zu, den ich kaum deuten konnte, doch das wenige, was ich herauslas, machte mich nervös.
Drachen nahmen manchmal menschliche Gestalt an, um menschliche Geliebte anzulocken – sie waren ebenso lüstern wie mächtig. Aus solchen Vereinigungen gingen zwar keine Kinder hervor, doch sie waren für sich schon bizarr und oft beängstigend. Nicht, dass ich das je selbst erlebt hätte, das möchte ich doch betonen – aber wenn ich mir die große, schlanke, absolut umwerfende Gestalt ansah, die Smoky angenommen hatte, verstand ich die Versuchung.
Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zur Ordnung zu rufen. Offenbar war meine vorübergehend eingefrorene Libido dank Trillian und Morio wieder vollständig aufgetaut, doch es sah ganz so aus, als neigte ich weiterhin zu gefährlichem – wenn auch ungeheuer aufregendem – Terrain. Ich rückte näher an Georgio heran, der zusammengesunken auf dem Boden hockte und zu Smoky aufstarrte. Ich kniete mich neben ihn und tippte ihn auf die Schulter. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der es geschafft hatte, das Karussell zu besteigen, um dann den Chip zu verlieren, so dass er nun doch nicht mitfahren durfte.
Er blickte zu mir auf, und sein Gesichtsausdruck war zugleich freundlich und verwirrt. »Ja bitte?«
»Sie heißen Georgio, nicht? Georgio Profeta.«
Er blinzelte, als müsse er über die Frage nachdenken, und nickte dann.
Nicht sonderlich gesprächig. Ich versuchte es erneut. »Was haben Sie vor meinem Haus gemacht? Wir haben Ihre Jacke und Ihr Notizbuch.«
Nach weiterem kurzen Zögern sagte er flüsternd: »Ich war in der Bar, als Sie sich mit diesem Japaner darüber unterhalten haben, dass Sie nach Tom Lane suchen. Ich dachte, Sie wollten hier herauskommen, um den Drachen zu töten, und das konnte ich nicht zulassen. Das ist mir bestimmt, also bin ich Ihnen nach Hause gefolgt, um herauszufinden,
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