Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
hinab und schüttelte sie dann sanft ab. »Ich empfinde für keinen Menschen Mitleid.« Doch sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. »Außerdem wäre der da viel zu zäh und sehnig.«
»Tom hast du auch nicht getötet, obwohl du die Gelegenheit dazu hattest«, sagte ich. »Gib es zu – du hast eine Schwäche für Menschen. Wann hast du denn zuletzt einen gefressen?«
Smoky packte mich um die Taille und riss mich an sich. Meine Füße baumelten in der Luft. Sein heißer Atem traf mich, als er die Stirn an meine presste und mir tief in die Augen sah. »Hexlein, ich warne dich zum letzten Mal: Treib es nicht zu weit.«
Ich wand mich, doch er hielt mich fest. Ich kam mir sehr dumm vor und stammelte bedrückt: »Es tut mir ehrlich leid. Bitte lass mich runter.«
Smoky drückte mich noch fester. »Ich könnte dich einfach wegtragen«, murmelte er und schnupperte an meinem Haar. »Niemand würde es wagen, mich aufzuhalten. Immerhin schuldet ihr mir noch etwas für den Schutz, den ich euch geboten habe.«
»Smoky«, sagte ich und versuchte, meine Stimme ruhig klingen zu lassen, »bitte lass mich los. Es hängt so viel davon ab, dass wir Tom Lane von hier fortbringen, ehe die Dämonen zurückkommen.« Ich hatte nicht vor, ihm zu sagen, dass Toms Anhänger gewaltige Macht besaß – damit hätte ich nur dafür gesorgt, dass Smoky zum neuen Wächter des Siegels wurde.
Seine Augen begannen sich zu drehen, und schwindelerregende Farben wirbelten in den eisigen Tiefen des Gletscherblaus herum. Ich spürte, wie ich in den Wirbel hineingesogen wurde und jedes Interesse daran verlor, mich zu befreien. Er grub die Nase in mein Haar und leckte mir langsam und genüsslich über die Ohrmuschel. Ich schloss die Augen, doch in diesem Moment ließ er mich los und stellte mich sanft ab.
Zitternd sagte ich: »Danke, dass du mich losgelassen hast. Ich entschuldige mich noch einmal.«
Der Drache betrachtete mich mit kühlem, überheblichem Blick. »Geh«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen um den kleinen Georg hier; ich kümmere mich darum, dass er ohne einen Kratzer wieder nach Hause kommt. Aber, kleine Hexe, wir sehen uns bald wieder. Das garantiere ich dir.«
Hastig wich ich zurück. »Komm mit, Tom, wir müssen uns beeilen«, sagte ich. Als wir auf das Haus zugingen, warf ich einen Blick über die Schulter. Smoky stand am Waldrand, und ich konnte spüren, wie er jeden meiner Schritte beobachtete. Als er meinen Blick bemerkte, hob er kurz die Hand; dann verschwand er im Wald, und Georgio folgte ihm wie ein Hündchen.
Wir eilten auf die Tür zu und sahen Delilah und Chase herauskommen, die Morio vorsichtig die Stufen hinunterführten. Er hatte sich Wisteria über die Schulter geworfen. Sie war so fest verschnürt wie ein Weihnachtspaket, ihr Mund dick geknebelt.
»Fahren wir«, sagte ich und spürte, wie mich etwas zur Eile drängte. »Die Dinge geraten in Bewegung. Ich spüre es im Wind.«
Wir stiegen ins Auto. Delilah erbot sich zu fahren, da Chase immer noch Schmerzen hatte. Wisteria hatte wohl um ein Haar dafür gesorgt, dass er nie Kinder zeugen würde. Als wir aus der Einfahrt auf den Feldweg einbogen, dankte ich meinem Glück und den Sternen, dass wir es geschafft hatten, Tom von Titania loszueisen. Alles in allem war die Aktion viel glatter verlaufen, als ich erwartet hatte, aber wir waren ja noch längst nicht zu Hause.
Die Stimmung auf der Heimfahrt war bedrückt. Erstens hatten wir eine geknebelte und gefesselte Floreade dabei, die ganz versessen darauf war, den Dämonen bei der Auslöschung der Menschheit zu helfen. Zweitens wusste Bad Ass Luke inzwischen, dass wir Tom hatten. Ein Flüstern im Wind hatte mir gesagt, dass er es herausgefunden hatte und unsere Namen verfluchte. Je länger ich darüber nachdachte, desto besorgter wurde ich. Frustriert starrte ich aus dem Fenster.
»Kann dieses Auto denn nicht schneller fahren?«
Chase auf dem Beifahrersitz schüttelte den Kopf. »Das wäre keine gute Idee, Camille. Wir wollen doch nicht von der State Patrol angehalten werden. Ich habe meine Dienstmarke, aber trotzdem – mit der verschnürten Wisteria hinten drin würde es für uns nicht gut aussehen.«
Da hatte er recht. Ich blickte zu Morio zurück, der neben der gefesselten, geknebelten Floreade ganz hinten im Jeep saß. Er ließ sie nicht aus den Augen und achtete wachsam auf das kleinste Anzeichen dafür, dass sie etwas vorhaben könnte. Der AND musste erfahren, dass es eine
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