Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
wer Sie sind.«
Er glaubte also, wir hätten es darauf abgesehen, Smoky zu erschlagen? »Georgio, wir wussten gar nichts von dem Drachen, bis Sie uns Ihre Jacke dagelassen haben. Wie lange wissen Sie denn schon von ihm?«
»Sehr lange«, sagte er mit gesenktem Blick.
Ich blickte zu Smoky auf, der interessiert zuhörte. »Wie viele Leute wissen noch von dir?«
Er zwinkerte, und seine Oberlippe kräuselte sich zu einem schiefen Lächeln. »Zu viele. Ich bin schon sehr lange hier in der Gegend. Aber die meisten Leute finden nie auch nur eine Spur von mir. Illusionen beherrsche ich sehr gut, wie du und dein Partner ja nun wisst.«
»Er ist nur ein Freund«, sagte ich.
»Wenn er nur ein Freund ist, würde ich zu gern mal sehen, wie du mit einem Liebhaber umgehst«, sagte Smoky schnaubend. Ein dünnes Rauchfähnchen drang aus seiner Nase, und ich blinzelte und fragte mich, wo genau die Grenze zwischen Drache und Mann verlaufen mochte. Mit einnehmender Stimme fügte er hinzu: »Du hast also keinen festen Partner, Hexling?«
»Wisch dir dieses Grinsen vom Gesicht«, sagte ich. Mir war eben erst aufgegangen, dass Smoky vermutlich von einem Logenplatz aus hatte zusehen können, wie Morio und ich es miteinander getrieben hatten. Falls das stimmte, hatte er wirklich etwas geboten bekommen. »Ich habe einen festen Freund, und er ist Svartaner, also sei ja nett zu mir, denn er wäre nicht nett, wenn er den Eindruck hätte, dass mich jemand belästigt.«
Smokys Augen blitzten. »Droh mir nicht, Mädchen. Vergiss niemals, niemals, mit wem du redest.«
Ich wand mich innerlich. Nicht gut, nein, gar nicht gut. Ganz egal, wie schmeichlerisch ein Drache wurde, er blieb ein Drache, in Menschengestalt oder nicht. »Es tut mir leid«, sagte ich zerknirscht. »Bitte grill mich nicht.«
Er stieß ein lautes Brummen aus. »Feen... ihr seid doch alle eine Plage.« Nach einer kurzen Pause bemerkte er: »Du bist also mit einem Svartaner zusammen und amüsierst dich nebenher mit einem Fuchsdämon? Das ist mal was anderes.«
Ich biss mir auf die Zunge. Manchmal war Schweigen wirklich Gold.
Er fuhr fort: »Nun, jedenfalls hat man mich mehrmals für eine fliegende Untertasse gehalten, was nur beweist, dass die Leute eben sehen, was sie sehen wollen. Menschen sind schon ein versponnenes Völkchen.«
Ich wandte mich wieder Georgio zu und sagte: »Mein Freund, wir sind nicht hier, um Smoky zu töten. Wir haben nach Tom gesucht, das ist alles. Aber hören Sie mir zu. Sie können nicht herumlaufen und Drachen erschlagen. Das ist gefährlich, und am Ende werden Sie noch gefressen.«
Georgios Unterlippe zitterte. »Aber ich bin der heilige Georg. Es ist meine Bestimmung, Drachen zu erschlagen.«
Ich starrte ihn an und erkannte, dass Georgio wirklich glaubte, was er sagte. Im Gegensatz zu Tom mit seiner berühmten Vergangenheit war Georgio aber nicht der leibhaftige Drachentöter, der er zu sein behauptete, und falls er versuchen sollte, tatsächlich einen Drachen zu töten, würde er tot sein, ehe er sein Schwert heben konnte. Er sollte irgendwo sicher untergebracht und bewacht werden, damit er sich nicht selbst in Gefahr brachte. Ich streckte die Hand aus und befühlte das Kettenhemd. Wie ich bereits vermutet hatte, war es nicht echt. Es bestand aus silbergrau angesprühtem Plastik – unbequem und vollkommen nutzlos.
Ich stand auf und ging zu Smoky hinüber; als ich mich ihm näherte, bebten meine Nasenflügel. Der Geruch von Rauch und Moschus hing in der Luft, und ich straffte die Schultern.
»Erzähl mir mehr von ihm«, bat ich und wies mit einem Nicken auf Georgio, der an den Ringen seines Kettenhemds herumspielte.
Smoky runzelte die Stirn, und ein angewiderter Ausdruck trat auf sein Gesicht. »Er hält sich für einen Drachentöter. Als er das erste Mal zu mir kam, war ich misstrauisch, aber irgendetwas an ihm hat mich fasziniert, also ließ ich ihn am Leben. Nach seinem zweiten Besuch bin ich verkleidet in die Stadt gegangen und habe ein wenig nachgeforscht. Es stellte sich heraus, dass Georgio ein paar Schrauben locker hat, aber nicht gefährlich ist. Er wohnt bei seiner Großmutter und arbeitet in einem Supermarkt – wischt die Böden und so weiter.«
Jeder andere Drache hätte den armen Mann einfach gefressen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden. Ehe ich merkte, was ich da tat, legte ich die Hand auf Smokys Arm.
»Du hast Mitleid mit ihm, nicht wahr? Deshalb tötest du ihn nicht.«
Smoky blickte lange auf meine Hand
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