Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
Kumpel hätte sich vermutlich längst bei ihm melden sollen, stattdessen liegt er tot in eurem Wohnzimmer. Außerdem ist Luke inzwischen sicher dahintergekommen, dass wir Tom haben.«
»Kannst du dich aus der Stadt schleichen und Großmutter Kojote dazu überreden, uns zu helfen – uns ihr Portal benutzen zu lassen?« Ich starrte ihn an, und Bilder von unserer hitzigen Vereinigung draußen bei dem Grabhügel standen mir vor Augen. Sobald Trillian zurück war, würde ich einen Drahtseilakt zwischen diesen beiden Männern vollführen müssen, denn ich wollte eigentlich keinen von beiden aufgeben.
Er blickte zur Arbeitsfläche hinüber, wo Delilah letzte Hand an unser Abendessen legte. »Sobald ich etwas gegessen habe. Ich schlage vor, du versuchst erst mal mit einem Findezauber, Luke aufzuspüren. Ich wette, er ist auf dem Weg hierher. Das Letzte, was passieren darf, ist, dass er euch überrascht.«
»Oh, das ist genau das, was wir bräuchten«, sagte ich. »Wenn der Findezauber so gut klappt wie der letzte, den ich auf die Harpyie gesprochen habe, dann sind alle unsere Probleme mit einem Schlag gelöst, denn dann wird der gute alte Luke plötzlich in unserem Wohnzimmer stehen.«
Chase schnaubte, und Delilah lachte. Aber Morio hatte recht, dachte ich. Wir konnten nicht einfach herumsitzen und darauf warten, dass Luke zu uns kam. Ich nahm das TruthahnSandwich, das Delilah mir reichte, und biss niedergeschlagen hinein.
»Ja, ja, freut mich, dass ich euch zum Lachen bringe«, sagte ich. »Aber Morio hat recht. Ich werde es versuchen, aber wir müssen gut vorbereitet sein, denn falls mein Zauber schiefgeht und er tatsächlich im Wohnzimmer erscheint, müssen wir ihn auf der Stelle erledigen. Hier geht es um Leben und Tod, Leute.«
Chase ließ sich auf dem Stuhl neben mir nieder. »Camille, wie lange schwelt diese Bürgerkriegsgeschichte in Y’Elestrial schon vor sich hin?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Womöglich Hunderte von Jahren. Lethesanar ist ein Opium-Junkie, das wussten wir schon als Kinder.«
»Wir sollten Wisteria losbinden«, bemerkte Delilah. Sie hatte sich auf die Arbeitsfläche gesetzt und ließ die langen Beine baumeln.
»Was? Warum zum Teufel sollten wir das tun? Dieses Miststück ist gefährlich.« Ich musterte meine Schwester und fragte mich, wo sie ihren Kopf hatte.
»Sie ist jetzt seit Stunden gefesselt. Bestimmt bekommt sie schon Krämpfe.«
Immer ein weiches Herz, meine Schwester. Ich seufzte. Sie meinte es zwar gut, aber das war zu gefährlich. »Delilah, Süße, denk mal darüber nach. Wisteria hat versucht, uns zu töten. Sie steht mit den Dämonen im Bunde. Sie hasst uns. Und du willst, dass wir sie losbinden? Denk daran, was sie Chase angetan hat.«
»In dieser Sache gebe ich Camille recht, Delilah.« Chase sah nicht aus, als freue er sich, mit mir einer Meinung zu sein. »Wir können es nicht riskieren. Es geht alles durcheinander, und es wäre sehr gefährlich, sie loszubinden – und sei es nur für ein paar Minuten.«
Delilah warf Menolly einen Blick zu, die bloß den Kopf zu schütteln brauchte, um ihre Meinung kundzutun. »Das verstehe ich ja, aber es kommt mir so grausam vor, sie ohne Pause gefesselt zu lassen. Können wir sie wenigstens fragen, ob sie etwas trinken möchte?«
Ich presste die Lippen zusammen – ich wollte nicht den bösen Bullen spielen. Chase warf mir einen Blick zu, und ich sah, dass er die Rolle auch nicht haben wollte.
Menolly schlug nach einer Mücke. »Sie ist keine Prinzessin, Kätzchen. Sie ist ein blutrünstiger Waldgeist, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hat«, stellte sie fest. »Sie würde dir mit Vergnügen den Kopf abreißen.«
Delilah sah sie mit großen Unschuldsaugen und diesem mädchenhaften Blick an, den sie draufhatte. Schließlich zuckte Menolly mit den Schultern. »Na schön, aber gebt mir nicht die Schuld, falls irgendetwas schiefgeht. Komm, ich helfe dir. Wir bringen ihr Wasser, aber falls sie auch nur einen Finger rührt, breche ich ihr das Genick.«
»Ich weiß nicht so recht, ob ich mich jetzt besser fühlen soll«, brummte Delilah, und die beiden standen auf und gingen hinaus.
Iris stand auf einer Trittleiter am Spülbecken und spülte Geschirr. Ich wollte ihr sagen, sie brauche das jetzt nicht zu tun, überlegte er mir aber anders. Hausgeister genossen es, jenen zu helfen, die sie mochten. Das lag in ihrer Natur, genauso wie Jockos Grobheit oder Trillians Sarkasmus in deren Natur lagen.
Sie drehte sich
Weitere Kostenlose Bücher