Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
ich weiß was. Du könntest den Feuerlöscher aus der Küche holen. Damit können wir ihn vielleicht blenden. Zumindest kurzfristig.« In Wahrheit hatte ich keine Ahnung, wie der Schaum auf einen Dämon wirken würde, aber ein Versuch konnte nicht schaden.
Chase trottete in die Küche und kam gleich darauf mit dem Feuerlöscher zurück. Als er ihn neben mir abstellte, griff ich nach seiner Hand.
»Chase, ich hoffe, du und Delilah genießt das, was ihr da laufen habt – solange es eben hält«, sagte ich mit leiser Stimme. Soweit ich wusste, konnten Menolly oder Morio uns belauschen. Wir alle hatten ein besseres Gehör als ein VBM, aber das brauchte Chase nicht zu wissen.
»Ich war nicht immer nett zu dir«, fuhr ich fort. »Aber Delilah mag dich, und anscheinend hast du auch deine Angst vor ihr abgelegt.«
Seine Augen schimmerten. »Ich weiß, dass ich dir auf die Nerven gehe, schon von Anfang an. Du bist eben so... ich weiß auch nicht. Lebendig? Vital? Aber neulich, als Delilah und ich allein zusammengearbeitet haben, da ist irgendetwas passiert. Ich habe sie noch nie so gesehen, aber weil du nicht dabei warst, konnte ich sie auf einmal so sehen, wie sie ist.«
Ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass er keine Ahnung hatte, wer sie wirklich war – dass er gerade mal die Oberfläche angekratzt hatte. Das wäre nur die Wahrheit gewesen. Aber ich wusste auch, dass er das selbst herausfinden musste und es Delilahs Entscheidung war, was sie ihm wann enthüllte.
»Vergiss nur nicht, dass auch sie halb Sidhe ist. Und Sidhe sehen vielleicht aus wie Menschen, aber das sind wir nicht.« Seine Miene sagte mir, dass ich im Begriff war, zu weit zu gehen, also räusperte ich mich und wechselte das Thema.
»Schön, ich will den Couchtisch vor dem Sessel und – ah, da ist Delilah mit der Schale.«
Delilah eilte herein, meine Kristallschale in der einen Hand, in der anderen eine Flasche Wasser aus der Tygeria, einem Fluss in unserer Heimat.
Der Brunnen der Tygeria war eine heilige Quelle, die hoch in den Bergen aus dem Gestein sprudelte. Das Wasser floss so reichlich und schnell, dass es zu einem Fluss wurde. Wasser und Quelle wurden beständig von einer Gruppe Priester gesegnet, die hoch oben an der Flanke des Tygeria-Berges in einem uralten Kloster lebten. Der Orden des Kristallenen Dolches war eine der ältesten spirituellen Bruderschaften der Anderwelt, und die Mönche waren ebenso einsiedlerisch wie tödlich. Sie hatten jedoch nichts dagegen, dass die Leute das gesegnete Wasser benutzten, solange nur niemand dem Fluss, dem Kloster oder dem Berg schadete oder sie besudelte.
Ich goss das Wasser in die Schale, stellte sie auf den Tisch und wartete einen Moment, bis sich die Oberfläche beruhigt hatte. Ein paar Lichtfunken tanzten darüber hinweg. Ich bedeutete den anderen, sich zu setzen. »Wenn ich anfange, seid bitte still. Falls Luke durch irgendein Portal aus der Hölle hier hereingestürmt kommt, müsst ihr ihn sofort angreifen, denn ich werde einen Augenblick brauchen, meine Trance abzubrechen. Seid ihr bereit?«
Alle nickten.
Ich holte tief Luft und schloss die Augen. Da ich nichts besaß, das Luke gehörte, würde ich eine Abwandlung des Findezaubers benutzen müssen. Ich versenkte mich in den Strudel der Energie, und flüssiges Silber strömte durch meine Adern, während ich im Geiste eine Frage formulierte.
»Wo ist der Dämon Lucianopoloneelisunekonekari? Wo ist er jetzt, in diesem Augenblick?« Ich öffnete die Augen und schaute ins Wasser. Gleich darauf bildete sich Nebel über der Oberfläche, der sich zu wirbelnden Strängen formte, wie eine DNSHelix. Minitornados fegten über die Schale hinweg, der Nebel brodelte, wuchs und formte einen ovalen Rahmen über dem Couchtisch. In diesem Rahmen tanzte ein schwindelerregender Flammenreigen – Feenfeuer.
Langsam stand ich auf, mein gesamter Körper bebte. Diesen Spruch hatte ich schon ein paarmal verwendet, aber noch nie eine solche Wirkung gesehen, und ich war nicht sicher, was mich jetzt erwartete. Sollte ich den anderen zuschreien, sie müssten sich in Sicherheit bringen, oder würde ich nun endlich behaupten können, eine großartige magische Leistung vollbracht zu haben, auf die mein Mentor wahrhaft stolz sein konnte?
Fünf Sekunden vergingen, zehn, eine halbe Minute. Noch immer brodelte der Nebel und spiegelte das hellerleuchtete Oval. Als ich das Ganze gerade als hübsche Show und weiter nichts abschreiben wollte, kam Bewegung in das Feenfeuer.
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