Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
ausdruckslos und starr blieb, klang ihre Stimme ein wenig erstickt. Sie und Jocko waren in den vergangenen Monaten Freunde geworden, so gute Freunde, wie eine Vampirin und ein Riese eben sein konnten. Beide litten sehr unter ihren Handicaps – Menolly hatte nicht darum gebeten, ein Vampir zu werden, und Jocko war kleinwüchsig.
Ich nickte. »Es tut mir leid.« Ich beugte mich vor und legte ihr einen Arm um die Schultern. Sie starrte auf ihre Hände hinab. Ich sah ihr an, dass sie mit den Tränen kämpfte – Vampirtränen waren so rot wie das Blut, das sie tranken, und Menolly konnte Flecken nicht ausstehen.
»Wie? Und wer zum Teufel sollte ihn umbringen wollen? Jocko hat nie jemandem etwas getan, der es nicht geradezu herausgefordert hat.« Sie seufzte tief. »Was für eine Scheiße.«
Ich küsste sie auf die Stirn. »Ja, ich weiß. Jemand hat ihn erdrosselt, eine echt hässliche Sache. Chase wird dir alles Weitere sagen. Er hat sich noch einmal mit dem Hauptquartier in Verbindung gesetzt, nachdem ich den Dämonengestank an der Mordwaffe wahrgenommen hatte. Er hat gesagt, er hätte es geschafft, jemanden an die Strippe zu bekommen, aber wer weiß, was uns das nützen wird.« Ich drückte ihre Schultern. »Davon abgesehen habe ich eine Überraschung für dich. Ich führe dich heute Nacht aus, aber du darfst mich nicht fragen, warum oder wohin. Versprichst du mir, dass du mitkommst?«
»Du schleppst mich doch nicht wieder in einen Strip-Schuppen, oder?« Sie funkelte mich böse an. »Dieses Fiasko hat dich hoffentlich gelehrt, dass die Kombination von haufenweise nackter Haut mit einem hungrigen Vampir todsicher in einer Katastrophe endet.«
Nicht immer erwiesen sich unsere Versuche, die Kultur der Erdwelt besser kennenzulernen, als eine gute Idee. Nachdem ich es geschafft hatte, Menolly aus der Bar zu zerren und sie aus ihrem Rauschzustand zu rütteln, war ich zu dem Schluss gekommen, dass der Anblick nackter Körper wohl das Letzte war, was sie brauchen konnte. Das bedeutete: keine ChippendaleShows, Stripclubs, Saunas, Umkleiden oder sonst irgendetwas in der Art.
»Glaub mir, das machen wir nicht noch einmal. Nein, es ist etwas ganz anderes. Versprichst du mir, dass du mitkommst?«
Sie seufzte, als ich ihr voran zur Treppe ging. »Ach, na schön. Ich versprech’s. Aber es sollte lieber mindestens so unterhaltsam sein wie die Shows, die ich in der Bar zu sehen bekomme.«
Chase und Delilah warteten im Esszimmer auf uns. Chase hatte eine Flasche Bier vor sich stehen, Delilah ein Glas Milch. Beide sahen so erleichtert aus, als wir auftauchten, dass ich grinsend fragte: »Nicht viel Gesprächsstoff, was?«
Delilah pfiff vor sich hin und starrte zur Decke. Chase starrte auf sein Bier.
»Dann wollen wir mal.« Ich ließ mich auf meinem Stuhl nieder und erschauerte, als die Wärme, die Eichenholz für mich besitzt, durch meinen Körper strömte.
Ich schenkte mir ein Glas Wein ein. Menolly trank nichts, wenn wir Besuch hatten. Obwohl Blut ganz ähnlich aussah wie Tomatensaft und wir immer einen kleinen Vorrat im Kühlschrank hatten, konnte das den Gästen doch etwas unangenehm sein. Und der Geruch stieß manche Leute ab, die nicht daran gewöhnt waren.
»Okay, hier sind die Fakten.« Chase räusperte sich und holte ein Notizbuch hervor. »Camille kennt schon ein paar davon, aber ich fange lieber am Anfang an, damit alle im Bilde sind. Heute Morgen um fünf Uhr dreißig ist ein Informant in der Gasse hinter dem Wayfarer über Jockos Leichnam gestolpert. Er hat mich angerufen, und ich war etwa zehn Minuten später dort. Jocko wurde erdrosselt. Sein Mörder muss ungeheuer stark sein, denn Jocko ist nicht gerade klein, und es war offensichtlich, dass er sich heftig gewehrt hatte. Aber der Gerichtsmediziner stimmt mit mir darin überein, dass er vermutlich in der Bar getötet und dann nach draußen geschleift wurde. Eine Spur umgestürzter Stühle zog sich durch die Bar, und die Hintertür stand offen.«
Delilah verzog das Gesicht. »Armer Jocko. Was hat der Gerichtsmediziner denn noch gesagt?«
Chase blickte auf seine Notizen hinab. »Nicht viel. Sie haben Spuren von nichtmenschlichen Energiesignaturen an ihm gefunden. Als Camille mir gesagt hat, dass der Riemen nach Dämon riecht, bin ich noch einmal hingegangen und habe sie gebeten, das zu überprüfen. Bedauerlicherweise kann der ANDAgent, der die Autopsie durchgeführt hat, Dämonen nicht auf diese Weise wahrnehmen, also warten wir jetzt auf einen
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