Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
sie hinter den Ohren. »Armes Schätzchen, ist schon gut. Ist gut«, murmelte ich leise.
Chase räusperte sich und fragte mit großen Augen: »Wie lange dauert es, bis sie wieder normal wird?«
»Wenn sie sich beruhigt, kommt sie wieder zurück«, antwortete ich.
»Hat sie das schon von Geburt an?«, erkundigte er sich.
Menolly überraschte mich, indem sie die Antwort übernahm. »Delilah ist als Werkatze geboren worden. Im Unterschied zu den anderen ihrer Art verwandelt sie sich nicht in eine große Raubkatze. Nur in unsere wunderschöne, kleine, wuschelige Tigerkatze.« Sie lachte tief und kehlig. Mit einem Blick zu Chase fügte sie hinzu: »Die anderen Kinder haben sie deswegen immer ausgelacht, als wir noch klein waren, und manchmal haben sie sie absichtlich geängstigt, damit sie sich verwandelt, weil sie ›mit dem süßen Kätzchen spielen‹ wollten. Irgendwann wurde es so schlimm, dass unsere Eltern sie von der Schule nehmen mussten.«
Chase schüttelte den Kopf. »Es gibt eine Menge Dinge an euch, die ich einfach nicht verstehe.«
»Was genau die Verwandlung auslöst, ist schwer festzustellen«, erklärte ich. »Ich habe erlebt, wie sie einige der fiesesten Verbrecher in der Anderwelt gestellt hat, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren, aber wenn wir drei uns mal streiten, ist sie plötzlich nur noch Fell und scharfe Krallen.«
Delilah miaute mir ins Ohr. Laut. Ich wandte mich Chase und Menolly zu und sagte leise: »Also, ihr zwei solltet eure Reibereien ein bisschen ruhiger austragen, denn sonst nehme ich die Sache in die Hand.«
Chase verdrehte die Augen. »Oh-oh. Da wird mir ja angst und bange. Was willst du denn tun? Dich ausziehen und nackt auf dem Tisch tanzen vielleicht?«
»Ich will davon nichts mehr hören, Johnson.« Ich hielt meine Stimme ruhig, doch er merkte, dass ich sauer war. »Menolly kann ich nicht viel anhaben, aber dich kann ich mit einem Zauber belegen. Hast du dir schon mal überlegt, wie man sich als Kröte so fühlt? Oder als Maus vielleicht? Möchtest du mal sehen, was Delilah mit niedlichen kleinen Mäusen macht?«
Menolly grinste, wobei sie die Fangzähne entblößte, und Chase wurde blass. »Sie meint es ernst, Johnson. Und da man bei ihr nie so genau weiß, wie ein Zauber ausgeht... Ich an deiner Stelle würde mich lieber entschuldigen.«
»Warum ich? Du bist genauso schuld daran, dass –«
»Himmel! Könnt ihr beide denn nicht fünf Minuten in ein und demselben Raum verbringen, ohne Streit anzufangen?« Erschrocken versuchte Delilah mir auf die Schulter zu klettern, wobei sie mir ein paar böse Kratzer zufügte, doch ich streichelte ihr den Hals und besänftigte sie. »Könnt ihr mal einen Abend friedlich bleiben? Bitte?« Ich starrte Chase durchdringend an.
Er stieß ein langgezogenes Seufzen aus. »Na gut, es tut mir leid. Ich werde ganz brav sein.«
Menolly schüttelte den Kopf. »Camille, wie üblich die Stimme der Vernunft.« Anmutig streckte sie Chase die Hand hin. »Ich ziehe auch meine Fangzähne ein.« Sie beugte sich zu Delilah vor und fügte hinzu: »Delilah, Süße, du brauchst keine Angst zu haben, ich trinke keinen Chase-Cocktail zum Abendessen.«
Chase trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. »Das geht mich ja vielleicht nichts an, aber wenn Delilah als Werkatze geboren wurde, bist du dann als Vampir auf die Welt gekommen?«, fragte er freundlich. »Ich habe keinerlei Hintergrundinformationen über euch, abgesehen davon, dass ihr halb menschlich und Schwestern seid. Verdammt, bis vor ein paar Jahren wusste ich nicht einmal, dass es Vampire überhaupt gibt. Oder Hexen und Werkatzen«, fügte er lächelnd hinzu.
Ich warf Menolly einen Blick zu. Sie zuckte mit den Schultern und ging zur Küche. »Erzähl du es ihm«, sagte sie, schon auf dem Weg hinaus.
Chase wartete, bis sie das Zimmer verlassen hatte. »Empfindliches Thema?«, fragte er.
»Das kannst du laut sagen. Niemand kommt als Vampir auf die Welt. Man wird zum Vampir gemacht, und so gut wie jeder kann verwandelt werden. Menolly war eine erstklassige Akrobatin – sie konnte an allem hochklettern. Meistens jedenfalls. Kurz nachdem der AND uns eingestellt hatte, hat sie den Auftrag bekommen, den Elwing-Blutclan auszuspionieren, eine Gruppe abtrünniger Vampire, die sich weigern, sich an die Regeln der Anderwelt zu halten. Sie haben einem höheren Vampir Unterschlupf gewährt, der in die Unterirdischen Reiche abgeschoben werden sollte. Die Elwing-Gruppe hat schon immer Ärger gemacht;
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