Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
irgendetwas geärgert und sich deshalb mit den falschen Leuten eingelassen hat. Das Problem ist nur, dass sie jetzt mit zwei Morden in Verbindung steht.«
Chase kam zu uns und starrte auf die Fee hinab. »Der wachsen ja Pflanzen aus der Haut.«
»Du bist ein ganz Schlauer, was?«
»He, hübsch langsam. Schließlich hättest du mich eben beinahe umgebracht.«
Ich warf ihm einen raschen Blick zu, erkannte aber, dass er mich nur aufziehen wollte. Plötzlich schnippte ich mit den Fingern und sagte: »Ich weiß, was sie ist! Sie ist eine Floreade – das ist eine seltene Unterart der Dryaden. Sie hassen Menschen wie die Pest.«
Ich runzelte die Stirn. Was sollten wir jetzt mit ihr machen? Floreaden verfügten über beachtliche Kräfte, wenn genug Grünzeug in der Nähe war, und hier saßen wir mitten im großen, weiten Wald.
Morio schien das Problem zu verstehen. »Wir können sie nicht einfach gehen lassen. Sie ist eine Gefahr für uns und unsere Mission.«
»Meinst du, sie würde verstehen, was auf dem Spiel steht, wenn wir es ihr erklären?«, fragte Delilah.
»Das bezweifle ich, aber einen Versuch ist es wert«, erwiderte ich. Wisteria zappelte, und ich lächelte kalt auf sie hinab. »Immer mit der Ruhe, Schwester. Sei still und hör uns zu.«
Ich tastete sie nach Waffen ab. Floreaden trugen für gewöhnlich keine, aber es konnte ja nicht schaden, mal nachzusehen. Als ich ein langes, dünnes Rohr und mehrere bösartig aussehende kleine Pfeile aus den Falten ihres Gewands zog, war ich froh, dass ich mir die Zeit für diese Durchsuchung genommen hatte. Sicher ist eben sicher. Ich schnupperte an den Pfeilspitzen.
»Gift, und ein tödliches obendrein. Wir hatten Glück, dass wir sie erwischt haben, ehe sie einen von uns damit treffen konnte, sonst wäre derjenige am Ende.« Ich gab Chase einen Wink. »Würdest du bitte das Tischtuch in Streifen reißen? Wir müssen ihr die Hände fesseln, denn solange sie frei sind, kann sie damit zaubern. Wir müssen sie befragen.«
»Können wir nicht einfach meine Handschellen nehmen?«, fragte Chase und hielt sie hoch. Ich betrachtete sie. Kalter Stahl. Sie würden nicht angenehm für Wisteria sein, sie aber auch nicht verbrennen, wie Eisen es getan hätte. Sogar meine Schwestern und ich bekamen einen hässlichen Ausschlag von Eisen, dabei waren wir nur Halbfeen.
»Das müsste gehen, aber wir müssen ihr die Hände auf den Rücken fesseln.« Ich nahm Chase die Handschellen ab, blickte mich im Zimmer um und überlegte.
In regelmäßigen Abständen verteilt ragten Stützpfeiler vom Boden bis an die Decke. Ich ließ die anderen Wisteria so festhalten, dass ihr Rücken flach an einen der Pfeiler gedrückt war, zog dann ihre Arme hinter den Pfosten und legte die Handschellen an. Sie wehrte sich, und ihre Haut fühlte sich unter meinen Fingern glatt wie Seide an. Ich musterte prüfend ihre Hände und vergewisserte mich, dass es ihr nicht gelingen würde, die Handschellen abzustreifen. Ihre Finger waren schlank, aber nicht so schlank.
»Okay«, sagte ich und trat zurück. »Wir sind so sicher, wie es in ihrer Gegenwart möglich ist. Nimm ihr den Knebel ab, aber pass auf ihre Füße auf.«
Morio löste den Knebel. Wisteria hustete mehrmals, riss dann den Kopf hoch und fixierte mich mit zornigem Blick.
»Miststück«, sagte sie und verengte die Augen zu Schlitzen. »Du gehörst hier nicht hin – dies ist nicht deine Heimat.«
»Meine Mutter war menschlich. Die Erde ist ebenso meine Heimat wie die Anderwelt.« Ich beugte mich vor und betrachtete ihr dreiblättriges Mal, das zu glühen begonnen hatte. »Beruhige dich endlich. Wir wissen, dass du mit den Dämonen im Bunde stehst, und wir wissen auch, dass du etwas mit Jockos Tod zu tun hast. Mit Louises Tod vermutlich ebenfalls.«
Sie zuckte zusammen. Das war echter Schrecken. Die meisten Feen konnten zwar lügen, ohne mit der Wimper zu zucken, doch die Überraschung malte sich ganz deutlich auf ihrem Gesicht ab, und mir wurde klar, dass sie gar nichts von dem Mord an Jocko gewusst hatte.
»Was soll das heißen?«, fragte sie. »Jocko und Louise sind tot? Wer hat sie getötet?«
»Deine Freunde. Die perversen Biester, die du durch das Portal hereingeschmuggelt hast. Du hast ihnen von Louise erzählt, nicht wahr? Dass sie dich in der Nähe des Portals gesehen hatte? Ich wette, deshalb haben sie Louise ermordet. Damit sie nicht mehr reden konnte.«
Der Ausdruck auf Wisterias Gesicht sagte mir alles, was ich wissen
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