Schwestern des Mondes 02 - Die Katze-09.06.13
Beste, wenn ihr tut, was euer Vater gesagt hat, und gleich nach Hause geht.«
»Wir können nicht einfach verschwinden«, widersprach Camille. »Schattenschwinge stellt eine viel zu große Bedrohung dar. Er wird die restlichen Siegel finden, und dann sind Erdwelt und Anderwelt schon so gut wie untergegangen. Es gibt keinen Ort, an dem wir uns davor verstecken könnten.«
»Sie hat recht«, sagte ich und schnaubte bitter. »Was bringt dich auf die Idee, in der Anderwelt wären wir sicher, wenn niemand Schattenschwinge daran hindert, die Erde einzunehmen? Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Wir sind alle am Arsch, und wir sind auf uns allein gestellt.«
Vater hüstelte. »Nicht ganz. Ihr sagtet doch, Königin Asteria hätte euch geglaubt, was Schattenschwinges Pläne angeht.«
Ich warf ihm einen Blick zu und überlegte, wie viel genau er wissen konnte. Camille dachte wohl dasselbe, denn sie warf mir so einen Sollen wir es ihm sagen? -Blick zu. Ich schüttelte leicht den Kopf. Sosehr ich mich ihm anvertrauen wollte – das konnten wir nicht riskieren. Zu viel hing von absoluter Geheimhaltung ab.
»Ja, sie glaubt uns.« Ich stieß den Atem aus und stellte dann die Frage, die uns allen auf der Zunge lag. »Kannst du nicht hierher zu uns kommen? Wir könnten deine Hilfe gebrauchen.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das geht nicht.« Auf Vaters Seite war plötzlich Lärm zu hören. »Da ist jemand an der Tür. Ich muss jetzt gehen. Ich fürchte, ich werde lange keinen Kontakt mehr zu euch aufnehmen können. Denkt daran, eure Tante Rythwar weiß über alles Bescheid. Sie wohnt in einem kleinen Haus am Riellsring-Fluss, in Richtung Nebelvuori-Gebirge. Kurz vor den Sandstein-Fällen stößt man auf eine Lichtung, die von Eichen umringt ist, und dahinter wuchern an einer Stelle viele Waldbeeren. Sie wohnt etwa eine Meile weiter in Richtung Berge. Sucht gar nicht erst nach einem Pfad; es gibt keinen. Und sagt niemandem , wo sie ist.«
Der Lärm wurde lauter; wir hörten jemanden an die Tür hämmern, und dann hallte eine Stimme durch den Raum: »Hauptmann, die Königin verlangt Euer Erscheinen bei Hofe. Wir ziehen noch heute Nacht gegen Svartalfheim, Herr! «
Vater warf uns einen letzten verzweifelten Blick zu. »So beginnt es also«, sagte er. »Falls mir etwas zustoßen sollte, vergesst niemals, dass ich euch liebe. Und dass eure Mutter euch geliebt hat. Folgt eurem Gewissen und tut, was ihr für richtig haltet, ganz gleich, was dabei herauskommen mag. Ich bin so stolz auf euch.«
»Vater –«, rief Camille und streckte die Hände nach dem Spiegel aus.
Ich konnte nur stumm auf das Glas starren, das sich dunkel färbte – und dann zeigte es wieder nur Nebel. »O Große Herrin Bast, entweder zieht er in den Krieg, oder er wird als Verräter gebrandmarkt. Was sollen wir nur tun?«
Menolly seufzte. »Wir werden genau das tun, was er gesagt hat. Wir folgen unserem Gewissen. Delilah, im Augenblick können wir zu Hause nichts ausrichten. Am Ende würde man uns nur ins Gefängnis werfen. Wir werden hier tun, was wir können, und darum beten, dass die Götter Vater und Tante Rythwar beschützen. Vor allem«, sagte sie mit einem Blick auf die Uhr, »sollten wir unseren üblichen Tagesablauf einhalten, falls wir beobachtet werden. Ich muss jetzt zur Arbeit.«
Ich runzelte die Stirn. Wie zum Teufel sollte ich mich auf die Arbeit konzentrieren, wenn so viele schlimme Dinge passierten? Als man uns diese Erdseits-Posten zugewiesen hatte, hatten wir unseren Job lästig und blöd gefunden. Inzwischen war daraus ein Alptraum epischen Ausmaßes geworden. Aber Menolly hatte recht. So gern ich auch schnurstracks nach Hause gegangen wäre, um alles wieder in Ordnung zu bringen – wir konnten dort gar nichts tun.
»Wenn ich Lethesanar je in die Finger bekomme... «, brummte ich, ließ den Satz aber unvollendet.
Camille legte mir eine Hand auf die Schulter, als wir uns abwandten, um wieder nach unten zu gehen. »Das wird schon wieder. Wart’s nur ab. Vater ist klug, und Tante Rythwar auch. Und wenn sie uns feuern, tja, mir fallen ein Dutzend Sachen ein, die ich lieber machen würde, als für ein bürokratisches Monstrum zu arbeiten.«
Ich lächelte schwach und lachte dann. »Und du nennst mich eine Optimistin? Aber danke, eine kräftige Dosis ›Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage‹ kann ich gerade gut gebrauchen.« Wir gingen die Treppe hinunter, doch ich wusste, dass unser aller Gedanken der Familie galten, an der
Weitere Kostenlose Bücher