Schwestern des Mondes 02 - Die Katze-09.06.13
nur herausfindet, wer meinen Sohn ermordet hat.« Dann brach der große Mann zusammen; Tränen liefen ihm über die Wangen, während er unter dem schimmernden Mond leise weinte.
Camille kniete sich neben Venus, beugte sich dicht über Shawns Leichnam und schnupperte an seinem Hemd. »Da ist ein Geruch, den ich nicht erkenne.«
»Das ist uns auch schon aufgefallen«, sagte Venus. »Ich glaubte den Geruch der meisten Geschöpfe in dieser Gegend genau zu kennen, aber dieser ist mir neu. Und dennoch sträuben sich mir davon die Haare. Ich denke immerzu, ich müsste wissen, von was er stammt.«
Ich setzte mich neben Menolly und erschauerte, als mein Hintern auf den verschneiten Boden traf.
»Der Geruch gehört zu keinem Untoten, den ich kenne«, sagte Menolly einen Moment später. »Und was Dämonen angeht... beinahe, aber nicht ganz. Was meinst du, Camille?«
Camille beugte sich hinab und blickte in Shawns glasige Augen. »Ich wünschte, Leichenzungen könnten Werwesen befragen, aber wenn er kein Feenblut hatte – und seien es nur ein paar Tropfen –, hat es keinen Sinn, eine hinzuzuziehen.« Sie blickte zu Zach auf, der den Kopf schüttelte.
»Nein, leider. Reines Erden-Werwesen.«
»Dachte ich mir«, sagte sie und setzte ihre Untersuchung der Leiche fort. Sie strich mit dem Zeigefinger über Shawns Lippen, hielt ihn sich dann unter die Nase und sog die Luft ein. »Du hast recht, Menolly – ein ganz schwacher Geruch nach Dämonen, aber da ist noch etwas – etwas darüber. Das ist wirklich sehr seltsam.«
Ich blickte mich auf der Lichtung um. Meine Gedanken schweiften ab, und ich schlenderte beinahe unbewusst zum Ufer, das an dieser Stelle steil in den Bach abfiel. Das sanft gebogene Ufer führte zu einem steilen Abhang unter einem kleinen Plateau hoch über uns. Das war der Pinnacle Rock, der über dem Fluss aufragte. Ein vages Gefühl trieb mich dazu, mir das näher anzusehen, und sobald ich die steinige Wand aus harter Erde berührte – vermutlich über lange Zeit vom Wasser hier angeschwemmt –, wusste ich, dass ich hinaufklettern musste.
»Wo kommt man hier hin?«, rief ich über die Schulter zurück. Zachary und Tyler kamen zu mir herüber, dicht gefolgt von Menolly. Venus, Camille und Morio bereiteten gerade Shawns Leichnam für den Transport vor. Ajax starrte nur in den endlos dahinströmenden Bach.
Zach blickte an dem Abhang empor. »Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich war noch nie da oben.«
»Was ist mit dir, Tyler?«, fragte ich.
Tyler schüttelte den Kopf. »Ich glaube, die Mühe kannst du dir sparen.«
»Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte ich. »Da oben ist irgendetwas.«
Menolly trat vor. »Lass mich mitkommen, Kätzchen«, sagte sie. Sie begann sofort zu klettern, und es war, als sähe ich der alten Menolly zu, bevor sie getötet und verwandelt worden war. Geschickt stieg sie an der Steilwand empor, wobei sie noch mit den Fingernägeln Halt fand, wenn es sein musste.
Ich holte tief Luft. Ich war fit und durchtrainiert; ich müsste diese Wand bewältigen können. »Okay, versuchen wir’s trotzdem«, sagte ich.
»Bist du sicher? Wahrscheinlich landest du im Bach«, sagte Tyler. »Wie wäre es, wenn ich schnell unsere Ausrüstung hole und als Erster hinaufsteige, damit ich dich sichern kann?«
»Nicht nötig. Ich passe schon auf. Wasser mag ich nicht besonders, aber mit Höhen habe ich kein Problem.« Ich folgte Menollys Pfad, tastete mich hinauf und benutzte meine Instinkte, um Halt für Hände und Füße zu finden. Der Duft gefrorener Erde drang mir scharf in die Nase, und ich presste mich an das Steilufer. Einen Fuß nach dem anderen, eine Hand nach der anderen. Nach dem nächsten Halt tasten. Da ein Gesteinsbrocken. Und hier eine kleine Vertiefung. Ich nutzte jeden Halt – Äste, Steine, kleine Zweige, die aus der Wand hervorlugten, um mich abzustützen, während ich meinen Körper mit purer Muskelkraft fest an die Steilwand presste.
Als der Schnee noch dichter zu fallen begann, sah ich nichts mehr als weiße Flocken und die harte Erde vor mir. Ich blickte auf, aber Menolly war nirgends zu sehen; sie verschmolz mit der Steilwand. Sie hätte mit Leichtigkeit nach oben schweben können, aber sie hatte sich für den schwierigeren Weg entschieden – um sich selbst auf die Probe zu stellen. Aber sie klammerte sich auch an die Person, die sie im Leben gewesen war, statt die Fähigkeiten des Vampirs zu nutzen, zu dem sie geworden war. Nicht aus Angst – sie traf nur ihre
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