Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
jemandem, der vielleicht auf die Idee gekommen ist, hinterher dieses Kreuz aufzumalen?« Er tippte mit dem Stift auf sein Notizbuch und sah mich abwartend an.
Nun war ich es, die die Stirn runzelte. Würde ein Vampir mit Menschen zusammenarbeiten? »Möglich wäre das wohl, aber eher unwahrscheinlich. Außer er hat seinen Stall dabei, sofern er einen besitzt, oder Menschen, die in seinem Bann stehen. Egal wie tödlich, ja wie grotesk manche Vampire sind, wir alle besitzen diese Fähigkeit. Falls es hier Fußspuren gab, sind sie inzwischen zugedeckt. Es schneit ziemlich heftig.«
»Das Wetter ist in den letzten paar Jahren immer verrückter geworden. Muss die Erderwärmung sein.« Chase schob seinen Ärmel hoch, um auf die Uhr zu schauen. »Es ist fast vier Uhr früh. Was hast du hier draußen gemacht?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe eine Spur zu unserem Serientäter.« Ich berichtete ihm, was Roman mir über die Gegend erzählt hatte. »Ich wollte mich hier mal umsehen, ehe ich noch jemand anderen in Gefahr bringe. Dieser Teil der Stadt ist für Menschen nicht sicher. Auch nicht für Vampire. Abgesehen von unserem Mörder anscheinend.«
Chase blickte sich in dem dicht bewaldeten Park um. »Wir bekommen eine Menge Anzeigen wegen Körperverletzung aus dieser Gegend, und in den letzten Jahren hat es mehrere ungeklärte Todesfälle gegeben. Ich kann mir vorstellen, dass es hier spukt. Früher haben hier viele Kämpfe stattgefunden. Auseinandersetzungen zwischen allen möglichen Gruppen – manche rassistisch, andere politisch motiviert.«
»Ähnelt irgendeiner dieser ungeklärten Fälle den Morden an unseren jungen Frauen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ungeklärt bedeutet in diesem Fall, dass die Opfer eigentlich nicht hätten tot sein sollen, weil keine Ursache dafür zu finden war. Ich glaube gern, dass es in diesem Teil der Stadt von Geistern nur so wimmelt. Ich komme nie hierher, wenn es sich vermeiden lässt.«
Ein entrückter Ausdruck trat auf sein Gesicht, wie ich ihn schon bei Camille gesehen hatte, wenn sie magischer oder astraler Energie lauschte. Gleich darauf schrak er aus seiner leichten Trance auf. »Es gibt Wesenheiten hier – hässliche, alte Wesen. Ich weiß nicht, ob das Geister sind oder sonst was, aber sie sind nicht gerade freundlich.«
»Chase, seit wann kannst du Energie lesen?«
Achselzuckend klappte er sein Notizbuch zu und steckte es in die Tasche. »Das weißt du doch – seit ich im Krankenhaus wieder aufgewacht bin. Das ist zwei Monate her, und ich habe das Gefühl, dass ich im Nimmerland herumirre. Alles kommt mir so anders vor. Ich weiß nicht, wie ihr Mädchen das aushaltet – in zwei Welten auf einmal zu leben. Mich macht es wahnsinnig.«
»Sprich mit Sharah, sie kann dir helfen.« Zögernd streckte ich die Hand aus und tätschelte seinen Arm. »Mann, du musst lernen, damit zu leben, denn das ist dein Leben. Und es wird noch sehr, sehr lange so sein. Ich weiß, wie das ist. Sieh mich an, Chase. Sieh dir an, was mir passiert ist, und ich bin nicht nur von einem Dämon niedergestochen worden. Ich bin durch die Hölle gegangen … und ich erinnere mich ganz genau daran, was mir widerfahren ist. Jede Kleinigkeit, jeden Schnitt dieser Klinge, jede seiner Berührungen, an mir und in mir.«
Chase senkte den Kopf und errötete. »Ja, und ich weiß, dass ich neben dir wie ein Jammerlappen aussehe. Es tut mir leid. Manchmal vergesse ich, was er dir alles angetan hat. Da sollte ich mich nicht über meine Probleme beschweren. Die sind nichts im Vergleich dazu.«
»Du weißt, dass ich das so nicht gemeint habe. Ich wollte damit sagen: Ich weiß, wie das ist, wenn einem plötzlich das ganze Leben auf den Kopf gestellt wird. Wenn alles, was man je erwartet hat, weggenommen und durch etwas völlig anderes ersetzt wird.«
»Danke.« Er lachte beinahe und wies auf den Weg. »Gehen wir.«
»Was ist mit ihr?« Ich nickte in Richtung der Leiche. Ich wollte nicht gehen, ehe sie die Tote von hier wegbrachten.
»Sie werden sie mitnehmen, sobald sie mit dem Tatort fertig sind.«
Ich blickte über die Schulter zurück und hätte plötzlich weinen können. »Sag deinen Leuten, dass sie vorsichtig sein müssen. Es ist gefährlich, sie allein hier draußen zu lassen. Und sag mir Bescheid, wenn du weißt, wer sie war. Und du wirst die Todesursache bald den Medien bekanntgeben müssen. Du darfst nicht mehr lange warten.«
Chase stieß langsam den Atem aus, und ich konnte sein
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