Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
auf dem knapp einen Hektar großen Grundstück. Als ich näher heran war, glaubte ich eine Gestalt vom Haus in den Wald rennen zu sehen, aber ganz sicher war ich mir nicht. Ich sprang aus dem Auto und kramte im Kofferraum nach etwas, von dem ich gehofft hatte, dass ich es nie brauchen würde. Vorsichtig schob ich den kurzen Pflock in meinen Stiefel.
Sassy öffnete die Tür – normalerweise ebenfalls Janets Aufgabe. Aber falls Janet bettlägerig war, hatte Sassy sich vielleicht noch nicht die Mühe gemacht, einen Ersatz für sie zu suchen. Ich schlüpfte ins Haus und blickte mich automatisch um. Das Foyer war so ordentlich wie immer … nein, doch nicht. Nicht ganz. Ich bemerkte Flecken auf dem Boden, die wie getrocknetes Blut aussahen – klein, nur Tröpfchen. Das Wandtischchen war staubig, die Pflanzen hingen matt herab, als wären sie länger nicht gegossen worden.
Ich betrachtete Sassy. Sie hatte sich das Haar rabenschwarz gefärbt, und ein wenig von der Farbe war auf ihre Schläfe geraten. Der Fleck würde nicht wieder verschwinden. Wenn man die Haut eines Vampirs mit Haarfarbe färbte, dann blieb sie so. Sie trug immer noch Designer-Klamotten, aber ihre Kleidung war mit Blut und Lippenstift verschmiert. Der Gestank von ungewaschener Seide und Leinen umhüllte sie. Aber am verräterischsten waren ihre Augen: Der Blick war zu intensiv, leuchtend, glitzernd. Und ihre Fangzähne waren ausgefahren. Sie sah hungrig aus, bereit für die Jagd.
Ich hatte sie vor etwa zwei Monaten zuletzt gesehen und war entsetzt, wie weit sie inzwischen abgerutscht war. Ich konnte es an ihren Augen erkennen, an ihren Bewegungen, an der Art, wie sie sich die Lippen leckte, wenn sie mich ansah.
»Wo ist Janet?« Ich bedeutete Sassy, mit mir ins Wohnzimmer zu gehen. Sie folgte mir, und ihre Bewegungen waren nicht mehr so anmutig wie früher.
Meine Frage schien sie wieder zu sich zu bringen, wenigstens für kurze Zeit. »Sie ist oben«, antwortete sie, und blutige Tränen verschleierten ihre Augen. »Komm mit.«
Ich fragte nicht, sondern folgte ihr stumm die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sie mich in ein großes Schlafzimmer führte. Dort lag Janet, in einem Bett mit vielen Kissen und einer geblümten Steppdecke. Ihr Blick huschte vage umher, doch als sie mich sah, fuhr sie zusammen und versuchte, sich aufzurichten.
Ich warf Sassy einen Blick zu und formte meine Frage stumm mit den Lippen: Der Tumor?
Sassy nickte, presste sich dann eine Hand auf den Mund und verließ das Zimmer. Ich wandte mich wieder Janet zu. Der Tumor war vor einem halben Jahr diagnostiziert worden und inoperabel. Erin hatte recht. Janet blieb nicht mehr viel Zeit.
Ich setzte mich vorsichtig auf die Bettkante und nahm Janets Hand. »Hallo, Janet … na …«
Sie sah mich an, was sie offensichtlich einige Mühe kostete. »Miss Menolly. Es tut mir leid, dass ich Sie nicht unten empfangen konnte …«
»Psst.« Ich tätschelte ihre Hand. »Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Erin hat mir gesagt, dass Sie krank sind.« Während ich nach tröstlichen Worten suchte, umklammerte Janet fest meine Finger.
»Versprechen Sie mir etwas …«
»Natürlich, wenn ich kann. Was möchten Sie?«
Sie hielt sich an meiner Hand fest und flehte fieberhaft: »Lassen Sie nicht zu, dass sie mich verwandelt. Sie ist in den letzten paar Nächten hier hereingekommen und hat davon gesprochen, mich zu sich herüberzuholen. Das will ich nicht. Ich bin eine alte, kranke Frau, und ich hatte ein gutes Leben. Ich will nicht zu …« Ihre Stimme erstarb, und sie verzog das Gesicht. »Bitte verzeihen Sie, aber ich will nicht zu einer von euch werden.«
Ich lachte auf. »Ach, Janet, ich wollte auch kein Vampir werden. Ich glaube, die meisten von uns haben sich das nicht ausgesucht. Aber ja, ich verspreche es Ihnen – ich werde nicht zulassen, dass sie Sie verwandelt. Sie sagen, Sassy hat schon davon gesprochen?«
»Zu oft. Sie hat mir früher immer versichert, dass sie das nicht tun würde, aber Miss Menolly, Miss Sassy ist nicht sie selbst. Ich habe richtig Angst vor ihr. Ich will nicht voller Angst sterben.« Janet weinte jetzt, und ich bemerkte, dass eine Pupille sich viel mehr weitete als die andere. Ihre Krankheit hatte sie tatsächlich eingeholt.
»Haben Sie von ihrem Blut getrunken?«
»Nein«, antwortete Janet. »Sie hat es mir angeboten, aber ich habe mich geweigert.«
»Dann werden Sie unverändert zu Ihren Ahnen gehen. Ruhen Sie sich ein bisschen aus. Ich bin hier,
Weitere Kostenlose Bücher