Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
glaube, sie sind weg. Als sie das gesagt hat, habe ich einen Teil von mir verloren. Es war grässlich, jemand war in mir, hat an mir herumgezerrt und einen essenziellen Teil von mir ausgerissen. Jetzt kann ich keine Energie mehr anzapfen. Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich das immer gemacht habe. Es ist, als sei ein Teil von mir gestorben.« Er starrte mich mit einem bitteren Ausdruck in den Augen an. »Deine Schwester hat sich etwas Besseres einfallen lassen, als mich nur zu töten. Sie hat das vernichtet, was mich ausmacht. Jetzt bin ich wirklich nur noch ein Sklave. Stark, ja, aber nur ein Sklave.«
In seinen Augen sah ich, dass er die Wahrheit sagte. Er hätte mich unmöglich so belügen können. Vanzir konnte sich nicht mehr von Energie nähren. Camille – oder jemand, der sie dazu benutzen konnte – hatte zugleich seine stärkste Waffe zerstört.
Es gab nichts mehr zu sagen. Ich legte den Gang ein und fuhr in Richtung AETT-Zentrale weiter. Diese Nacht wurde immer schlimmer. Ausnahmsweise einmal erschien mir die Aussicht auf den Sonnenaufgang, auf den Schlaf, als willkommene Erleichterung.
Chase wartete schon auf mich. Er warf einen Blick auf die Uhr. »Das wird knapp für dich, meinst du nicht?«
»Ja, aber diese Nacht hat alles doppelt so schwer gemacht, wie es sein müsste. Was Neues von Morio?«
»Camille schläft im Bett neben seinem. Trillian und Delilah sind im Warteraum. Bisher hält er durch. Aber es sind kaum noch Reserven von dem Blut vorhanden, das er braucht. Delilah hat einen dringenden Aufruf an die ÜW-Gemeinde rausgegeben, und es waren schon ein paar Spender hier, das ist immerhin etwas.«
»Und was soll dieser Blödsinn von wegen Wade sei der Serienmörder?«
»Ich weiß, ich weiß. Das ist lächerlich, aber ich darf diesen Hinweis nicht ignorieren. Ich muss ausnahmslos jeder Spur nachgehen. Der Anrufer war männlich, mehr wissen wir nicht. Er hat behauptet, Wade habe die Opfer gekannt. Jetzt kann ich ihn nicht mehr befragen, aber sobald die Sonne untergegangen ist, werde ich vor seiner Tür stehen. Ich möchte dich bitten, mich zu begleiten.«
»Klar.« Ich runzelte die Stirn. »Die Sonne geht gegen zwanzig nach vier unter. Treffen wir uns um zehn vor fünf bei Wade?«
»Ja, gut. Und, Menolly, ich weiß, dass du und Wade zerstritten seid, aber du willst sicher auch nicht, dass er wegen …«
»Nein, zwischen uns ist wieder alles in Ordnung. Zumindest vorerst. Und nein, ich will nicht, dass er Schwierigkeiten bekommt, es sei denn, er hätte tatsächlich etwas getan. Aber ich sage dir gleich, er ist nicht unser Mann. Trotzdem weiß ich, dass du der Sache nachgehen musst. Wir sehen uns heute Abend.«
Ich wandte mich an Vanzir. »Ich fahre nach Hause. Du löst Delilah ab. Sie braucht ihren Schlaf. Sag ihr, dass ich schon unterwegs ins Bett bin. Sorge dafür, dass sie auch wirklich nach Hause geht. Es geht so viel vor sich, da müssen wir ausgeruht sein.«
Er nickte, ohne mir in die Augen zu sehen.
»Vanzir, hör mal …« Ich zögerte, weil ich nicht recht wusste, wie ich aussprechen sollte, was ich dachte. Schließlich entschied ich mich dafür, wie üblich einfach damit herauszuplatzen. »Was immer du getan hast, Camille ist offenbar der Ansicht, dass du dafür unter diesen Umständen nicht den Tod verdienst. Sie hat ihre eigene Art der Bestrafung gewählt, und ich gebe zu, die ist ein Hammer. Also überlasse ich alles Weitere ihr. Natürlich bin ich stinkwütend, aber …«
»Ich verstehe.« Er hob kurz die Hand, ließ sie gleich wieder sinken und ging in Richtung Warteraum davon.
Während der Fahrt gingen mir die Ereignisse der vergangenen vierundzwanzig Stunden unablässig durch den Kopf. Als ich endlich zu Hause ankam, eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, war ich so erschöpft wie schon lange nicht mehr. Iris hatte in einem Sessel vor dem Kamin gedöst. Daneben schlief Maggie in ihrem Laufstall. Ich beugte mich hinab und küsste die zarte Lederhaut des flaumigen Gesichts. Dann schlüpfte ich in meinen Keller hinab, ohne Iris zu wecken, und fiel sofort in tiefen, traumlosen Schlaf.
Als ich aufwachte, stieg ich in saubere Klamotten, rannte die Treppe hinauf und wartete ungeduldig auf das Zeichen, dass in der Küche die Luft rein war. Dann konnte ich endlich meinen Unterschlupf verlassen und zu den anderen ins Wohnzimmer hinübergehen.
»Morio? Geht es ihm …«
Iris schüttelte den Kopf. Sie sah müde aus. Ich hatte das Gefühl, dass sie einen langen Tag hinter
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