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Schwestern schenkt der liebe Gott

Schwestern schenkt der liebe Gott

Titel: Schwestern schenkt der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.Z. Thomas
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als Erwachsener auch mal etwas
vergißt und daß einen trotzdem keiner prügeln darf. Und was Erwachsenen recht
ist, findet er, sollte auch Kindern zugebilligt werden.
    Peng ist schwer enttäuscht.
Nun, er wird bei Gelegenheit die versäumten Prügel bei Brüder in irgendeiner Weise nachholen.

Allerlei
Auskünfte über ein Neugeborenes
     
    Nach zehn Tagen, die für Brüder
kein Ende nehmen wollen, kehrt die Mutter aus der Klinik zurück. Guggi hat
einen Kuchen gebacken, einen Kuchen, der sieben Sprachen spricht. Sie hat ihrem
Vater das ganze Kleingeld aus dem Portemonnaie geschwatzt. Keiner wollte
natürlich glauben, daß Guggi Kuchen backen kann. Mit dreizehn Jahren, ich bitte
euch! Sonst tut sie nämlich nie etwas in der Küche und behauptet immer, sie
müsse Schularbeiten machen. Und wenn Großreinemachen ist, dann hat sie Turnen
oder eine wichtige Besprechung in der Klasse.
    Brüder durfte die Teigschüssel auslecken. Er behauptete zwar empört, Mutti ließe mehr darin.
Aber geschmeckt hat es großartig.
    Der Kuchen steht auf dem
weißgedeckten Tisch. Ringsherum duftet und blüht es aus Töpfen und Vasen. Tante
Käthe hat eine Gloxinie heraufgebracht, die Annabodätsch einen wundervollen
Sommerblumenstrauß aus ihrem Garten. Die Frau vom Hausmeister — er weiß nichts
davon! — ein Fleißiges Lieschen. Die Milchfrau Lilien, an denen man sich die
Nase gelb macht, und einen Karton Teegebäck. Sogar Frau Zattersteg hat sich
eine Amaryllis abgerungen. ,Herzlichen Glückwunsch zum
Neugeborenen’ steht auf der Karte, die dabeilag.
    Brüder versteht nicht, wie man
für ein kleines Kind so eine Pracht veranstalten kann. Wenn er Geburtstag hat,
ist sein Tisch nicht ein Viertel so schön, und bei dieser neuen Schwester
machen alle ein Aufheben, als käme eine Prinzessin angegangen.
    Aber bewahre! Sie denkt gar
nicht daran, gegangen zu kommen! Sie fährt natürlich. In einem Taxi. Und weil
das Taxi vorher eine Braut zur Kirche gebracht hat, hängen noch Myrtenkränze an
allen Scheiben. Wie Brüder das sieht, schüttelt er nur den Kopf. Von der Braut
weiß er natürlich nichts und denkt, der Fahrer habe den Wagen extra für seine
Schwester so bekränzt.
    Die Mutter trägt das Baby im
Arm.
    „Mutti!“ brüllt Brüder und
stürzt ihr entgegen. „Vorsicht, Brüder!“ lacht sie. „Hier, halt sie mal, dann
kann ich die Taxe bezahlen!“
    Und Brüder, der sich
vorgenommen hat, seine Schwester überhaupt nicht zu beachten, streckt seine
Arme aus und nimmt das kleine Paket in Empfang. Es ist nicht mal so schwer wie
Puck. In dem Paket liegt seine Schwester, hat zwei Augen wie blaue Glasknöpfe
und guckt gelangweilt in den Himmel. Von ihrem Bruder nimmt sie nicht die
kleinste Notiz. Er darf sie tragen, das ist alles. Es scheint, als wollte sie
bereits von der ersten Stunde an keinen Zweifel darüber lassen, wer hier der
Wichtigste ist.

    Brüder ist es jedenfalls nicht.
Das bekommt er sofort zu spüren. Zwei Frauen treten heran und beugen sich über
seine neue Schwester. „Ach, ist die aber süß! Nein, so etwas Goldiges! Da da da
da! Wie heißt sie denn, Frau Günther?“
    „Regine“, antwortet die Mutter
stolz und gibt dem Fahrer sein Geld.
    „Ei ei ei, das Ginchen“, sagen
die Frauen und: „Nun lach doch mal, du Süße!“ und „dei dei dei!“ und „wo ist
das kleine Hasichen? Wo ist denn das Schnuckelmäuschen?“ Brüder möchte das
Paket am liebsten auf die Erde pfeffern. Hat man schon je solchen Quatsch
gehört? Er gibt seiner Mutter das Bündel zurück, geht zur Haustür und hält sie
auf.
    Aber die Frauen lassen seine
Mutter noch nicht gehen. Sie bewundern das Kind, als hätte es drei Augen oder
vier Ohren, und sie werden nicht satt, es zu betrachten.
    Brüder haut die Türe zu und geht
die Treppen hinauf. Nach einer Weile kommt die Mutter. Sie ist vergnügt, weil
alle Leute ihr Baby so niedlich finden.
    „Schnuckelmäuschen!“ sagt
Brüder auf dem obersten Treppenabsatz voll Hohn und äfft die Frauen nach: „Dei
dei dei!“ Dabei wackelt er mit dem Kopf, steckt die Zunge halb hinaus und
verdreht die Augen.
    Seine Mutter verbeißt sich das
Lachen. „Aber Brüder!“ Er findet, daß man nicht wie ein Idiot zu lallen
braucht, wenn man sich mit einem Neugeborenen unterhält. Aber sein Ärger
verfliegt mit dem ersten Stück Kuchen, das ihm die Mutter abschneidet. Jetzt,
da sie endlich zurück ist, kehrt für Brüder wieder das Leben in die Wohnung
ein. Zum erstenmal nach der langen Zeit schmeckt es ihm, und

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