Schwestern schenkt der liebe Gott
spazieren.
Regine, Regine und immer nur
Regine!
Der Vater fragt nach ihr, wenn
er nach Hause kommt. Die Mutter füttert sie. Guggi nennt sie: Mein Spätzchen.
Mein Piepchen. Mein Süßes. Brüder reicht es.
Niemand will mehr von ihm etwas
wissen. Gut, dann sollen sie es bleibenlassen. Er verläßt die Wohnung und zieht
in den Urwald. Er hat seine Mutter verloren. Ihr ist das Baby wichtiger als er.
Er hat Guggi verloren. Und den Vater. Was soll er also noch bei ihnen?
Es gibt andere Plätze auf der
Welt, an denen Brüder sich nicht überflüssig vorkommt .
Und es gibt andere Wesen, die für ihn da sind. Nur für ihn!
Puck nimmt er mit. Denn Puck
ist in der kleinen Wohnung auch zuviel an Bord. Und die Dame Laura. Denn irgend
etwas Menschliches muß man um sich haben, das einen daran erinnert, daß man zu
Hause ausgespielt hat.
„Komm, Puck!“
Wer sagt, daß der
Löwe kein Schmalz frißt?
Im Urwald trillern und zirpen
die Vögel. Schwache Sonnenstrahlen huschen über herabhängendes Blattgerank.
Papageienschrei dringt aus der Höhe. Versteckt lauert das gefährliche Krokodil
auf unvorsichtige Wanderer.
„Hoi! Hoi!“ Ein gewaltiger
Elefant schiebt sich durch das Dickicht. Sein Reiter lenkt ihn gut und sicher
„Hoi! Hoi!“ über die wildesten Pfade.
Manchmal ertönt es von ferne:
„Brüder, nicht so laut!“ Aber das ist eine Stimme aus einer anderen Welt. Man
braucht sie nicht zu beachten. Sie tut einem nichts. Das haben die Stimmen aus
anderen Welten so an sich.
Der Elefant trompetet.
Uuuuu-aaaah!
Da ist man an der Insel der
Krokodile. „Halten Sie sich fest, Fräulein Laura. Denn nun wird’s spannend.
Wie? Sie wären lieber zu Hause geblieben? Das sieht Ihnen ähnlich! — Ha! Was
tun Sie denn?“
Die schöne Dame Laura schwankt
oben auf dem Elefanten. Genau unter ihr grinst ein Krokodil und läßt seine
giftigen Augen schillern. Es hat den Rachen einladend aufgerissen. Seine Zähne
blitzen. Der Dame Laura wird schwindlig. Sie senkt ihre Augenlider mit den
langen Wimpern und stöhnt. Dann fällt sie in den Rachen des Reptils.
Wenn der Urwaldreiter nicht
wäre, könnte das Krokodil jetzt in Ruhe Brotzeit machen, wie man in Bayern
sagt. Und falls es nach dem Spruch: ,Die Augen essen
mit!’ lebt, könnte es sich sogar gratulieren, denn die Dame Laura ist wirklich
ein allerliebster Bissen. Aber zu seinem Schmerz erlebt das Krokodil keine
Freude mit der schönen Beute. Ihr Begleiter ist mit Pfeil und Bogen, mit Speer
und Säbel vortrefflich ausgerüstet, und ehe das tückische Tier einen Happen von
der Dame Laura herunterbringt, kracht ihm schon der Speer auf den Schädel.
Vor Schreck bleibt ihm das Maul
offenstehen. Gewandt klettert der Reiter von seinem vier Meter hohen Elefanten
herab, rettet die ohnmächtige Dame Laura, versetzt dem Krokodil noch rasch
einen Fußtritt und besteigt schnell wieder den Elefanten.
„Hoi! Hoi!“ Weiter geht es
durch den Urwald.
Die Dame Laura kommt wieder zu
sich und bedankt sich mit zärtlichem Augenaufschlag bei ihrem Retter. Endlich
sieht mal jemand ein, was für ein Held dieser junge Mann ist. Aber er will
nichts davon hören. Der Weg ist noch weit und voller Gefahren .
Wenn die bunten Urwaldvögel auch noch so lieblich singen und der Papagei noch
so drollige Zwischenrufe macht, man weiß nie, was einem bevorsteht.
Da! Zwischen den Hügeln funkeln
zwei grüne Augen. Die Dame Laura zittert vom Zeh bis zur Dauerwelle. Das ist
der schwarze Panther. „Nur keine Angst, Fräulein Laura. Halten Sie sich gut
fest!“
Aber wie kann man sich
festhalten, wenn der Elefant wie eine Dreimastbark schwankt!
Der schwarze Panther schleicht
sich geduckt heran. Die Dame Laura verliert das Gleichgewicht. Ein
schreckliches Knurren, und schon legt der Panther sein Gebiß um ihre schlanke
Taille und trägt sie schweifwedelnd davon. Mein schönes Organdykleid! denkt die
Dame Laura noch, und dann schwinden ihr abermals die Sinne.
Doch schon streift sich der
Reiter den Bogen über den Kopf. Es dauert zwar ein bißchen, ehe er sich
heraushaspelt, denn der Säbel an seiner Seite hat sich in der Bogensehne
verhakt. Aber der Panther hat es nicht eilig, und deshalb kann er zum Glück für
die Dame Laura noch rechtzeitig erschossen werden.
Ja, nun kann die erfolgreiche
Gerettete sich mit ihren schönen Augen zum zweitenmal bedanken! Sie beginnt
einzusehen, daß man als Mädchen oder als Dame, wenn es wirklich darauf ankommt,
einen Beschützer braucht. Einen Helfer in der Not.
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