Schwestern schenkt der liebe Gott
Schade, daß das nicht auch
andere Leute einsehen!
Jeden Tag reitet Brüder auf die Jagd. Mal ist er in Afrika, mal in Indien. Er fährt mit seinem
Kreuzer über die Meere, und der Kreuzer ist Käptn Kraffs alter Tisch, der immer
wackliger wird und in allen Spanten bebt, wenn Brüder mit Puck und der Dame
Laura über die Wellen schwebt, während zu ihren Köpfen der Fregattvogel segelt.
Dann geht es auf Eisbärjagd zum Nordpol, wo Mumme, der uralte Bär, auf den
Klippen des zum Eisberg erstarrten Bücherschrankes sein teures Leben
verteidigt.
Fern von Urwald und
Meeresbrausen geht das Leben in der anderen Welt seinen ungestörten Gang.
Regine wächst heran, und die kleine Wohnung wird mit jedem Tag enger.
„Wo ist mein Lineal?“ fragt
Herr Günther am Schreibtisch. Er hat seinen Motor fertig konstruiert. Aber
Bresselmanns wollen schon wieder einen neuen und stärkeren haben. Herr Günther
muß zeichnen. Er kann sich um nichts anderes kümmern. Gerade jetzt hat er einen
Einfall und braucht sein Lineal. Er zieht das mittlere Schubfach des
Schreibtisches auf, wühlt darin herum und schiebt es wieder zu. Er klappt die
rechte Schreibtischtür auf, sucht, findet einige Bauklötze, die er mit
Stirnrunzeln hinausbefördert, und schlägt die Türe zu. „Hat denn niemand mein
Lineal gesehen?“
„Vati, wenn du dauernd redest,
kann ich keine Schularbeiten machen!“ protestiert Guggi. Guggi sitzt am
Eßtisch. Sie hat ein Schreibheft vor sich und überlegt einen Aufsatz. Dieser Aufsatz
hat nicht das geringste mit einem Lineal zu tun, sondern mit der Nützlichkeit
der Bienen für den Menschen. Drei Seiten hat Guggi schon fertig. Um zwei muß
sie in der Schule sein. Jetzt ist es halb zwölf. In einer dreiviertel Stunde
gibt es Essen. Und bis dahin muß sie den Schluß geschrieben haben.
„Das Lineal kann doch nicht
einfach verschwunden sein!“ beschwert sich Herr Günther und untersucht zum
fünften Male die mittlere Schreibtischschublade, bevor er die Fächer auf der
linken Seite durchstöbert.
„Ide eide mömmöm!“ ruft Gine
aus der Ecke. Sie thront auf ihrem Töpfchen und ist sehr beschäftigt.
„Wo ist Brüder?“ fragt der
Vater in einer plötzlichen Ahnung. Gine weiß es ganz genau: „Akka da örrö eja
hei!“
„Wenn ihr jetzt nicht aufhört,
kriege ich bestimmt eine Vier!“ jammert Guggi.
„Sicher hat Brüder wieder ein
Schlachtschwert gebraucht!“ meint der Vater.
„Vati, du störst dauernd!“
klagt Guggi.
„Ich störe nicht!“ antwortet
Herr Günther. „Ich suche mein Lineal!“
„Doch störst du! Ich
verschreibe mich immerzu! Vorhin habe ich alles so schön gewußt. Und jetzt
finde ich keinen Schluß!“
„Ich habe tausendmal gesagt, es
hat niemand etwas an meinem Schreibtisch zu suchen!“ stellt Herr Günther
energisch fest.
Bevor die Auseinandersetzung
schärfer wird, tritt die Mutter ins Zimmer. Mit einem Blick umfaßt sie den
verzweifelten Vater, die empörte Guggi und ihre stillvergnügte Jüngste. „Pfui,
was tust du da ?, Gine?“
„Appa ta heia göggög!“
beschreibt Regine ihre Tätigkeit. Sie hält das Lineal in der Land und rührt emsig
damit im Töpfchen herum.
„Ach, da ist es ja!“ ruft Herr
Günther erleichtert. Aber so, wie das Lineal jetzt aussieht, kann er damit
keine Linien ziehen. „Ich werde noch wahnsinnig!“ erklärt er.
„Wenn wir eine größere Wohnung
hätten“, sagt Guggi, „dann könntest du dein eigenes Zimmer haben und brauchtest
nicht wahnsinnig zu werden!“
„Schreib du deinen Aufsatz!“
befiehlt die Mutter.
„Wie soll man denn bei diesem
Durcheinander etwas über die Nützlichkeit der Bienen schreiben!“ regt sich
Guggi auf.
„Kind, du mußt ein bißchen
vernünftig sein“, antwortet der Vater einlenkend. „Es ist uns allen nicht
recht, daß wir hier so eng wohnen. Aber im Moment müssen wir die Ohren noch
steifhalten. Sofort, wenn ich mit dem neuen Motor fertig bin, nehme ich vierzehn
Tage Urlaub, und dann suche ich eine Wohnung.“
„Das hast du schon hundertmal
gesagt!“ trumpft Guggi auf.
Die Mutter möchte gern in die
Küche, um das Lineal abzuwaschen, aber weil die Gelegenheit gerade günstig ist,
muß sie auch noch etwas zu dem Thema Wohnung sagen: „Der Hausmeister macht mir
dauernd Schwierigkeiten. Entweder schließt er den Kexler zu, wenn man drin ist.
Oder er stellt das Gas ab. Wir könnten noch gut eine Weile in Ruhe hier wohnen,
wenn ich ihm deinen alten Anzug schenken würde...“
„Kommt gar nicht in
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