Schwesternkuss - Roman
mächtige Frau. Aber eine gute Frau, das bist du nicht. Überhaupt nicht.«
Fiorella zuckte zusammen, steckte die Schlüssel ein und wandte sich an Mary und Pa. »Auf Wiedersehen, euch allen. Vielen Dank für deine Gastfreundschaft, Mary.«
Weder Pa noch Mary antworteten ihr.
Ein Notarzt in blauem OP -Kittel und mit blauer OP -Haube kam zur Tür herein.
Fiorella drehte sich um, Bennie, Grady und Mary standen auf.
»Ist sie okay?«, fragte Mary. Ihre Knie waren weich.
Der Arzt streifte seine Haube ab.
95
Bennie war erleichtert. Judy würde wieder gesund werden. Aber dass Alice entkommen war, ärgerte sie zutiefst. Mit Grady zu reden, hatte sie keine Lust, auch wenn sie ihn lange Zeit nicht gesehen hatte. Er, Mary, Ma und Pa lagen sich in den Armen, um die gute Nachricht zu feiern. Sie stand etwas abseits bei Fiorella. Im Waschraum hatte sie eine weitere Tablette eingenommen.
»Ms Rosato?«
»Ja?« Bennie wurde von einem Polizisten aus ihren Tagträumen gerissen. Er schien Neuigkeiten zu haben. »Haben Sie Alice?«
»Haben Sie sie?«, fragte auch Mary.
»Nein, aber wir haben eine Spur«, antwortete der Polizist. »Wir haben den Flughafen überprüft. Eine Bennie Rosato steht heute auf der Passagierliste für den letzten Flug nach Miami mit Anschluss nach Nassau auf den Bahamas.«
»Wann ist der Flug?«
»In einer halben Stunde.«
»Zum Flughafen sind es zwanzig Minuten. Wir müssen sofort los.«
»Einen Augenblick!« Der Polizist hob beschwichtigend die Hand. »Darum kümmern wir uns schon. Mein Captain koordiniert den Einsatz mit der Flugsicherheitsbehörde und dem FBI . Sobald sie am Flughafen auftaucht, verhaften wir sie.«
»Nassau?« Bennies Gedanken überschlugen sich. »Auf den Bahamas gibt es Offshore-Banken. Alice hat Zugang zu meinen Konten. Sie hat meine Passwörter geändert. Sie hat mein Geld bestimmt auf die Bahamas transferiert.«
»Du hast recht!« Gradys blaue Augen blitzten auf. »In der Kanzlei lag ein Brief für die BSB Bank in Nassau. Mir hat sie erzählt, sie hätte einen Mandanten da.«
Bennie fiel ihr Telefonat mit Marla ein. »Ich muss mit jemandem von der USA Bank sprechen.«
»Es ist nach Dienstschluss.«
»Ich will auch nicht mit irgendeinem Bankkassierer reden. Ich brauche Ron Engel, den Präsidenten der Bank. Er wohnt in Society Hill.« Sie wandte sich an Grady. »Kann ich dein Handy haben?«
»Das ist leider nass geworden.«
Der Polizist gab ihr sein Handy. Bennie fragte bei der Auskunft nach der Nummer von Ron Engel.
»Es tut mir leid«, sagte eine weibliche Stimme, »diese Nummer ist geheim.«
»Es handelt sich um einen polizeilichen Notfall.« Bennie gab dem Polizisten das Handy.
»Hallo. Wir brauchen die Nummer und Adresse von Ron Engel«, sagte der Cop, während Bennie bereits aus dem Wartezimmer stürmte.
96
Ihre Beine waren zwar inzwischen weich, aber noch nicht müde geworden. Ihr Schwimmstil war zwar nicht der schönste, aber er brachte sie voran, Schlag für Schlag. Nur noch fünfundzwanzig Meter, und Alice war in New Jersey.
Aus den fünfundzwanzig Metern wurden bald fünfzehn. Sie sah sich um, wo sie an Land klettern könnte. Eine zerfallene Mauer aus Stein zog sich am Ufer entlang, dahinter lagen Industrieanlagen. Den strömenden Regen ignorierte sie. Denn jetzt waren es nur noch fünf Meter, dann war es nur noch einer.
Sie stellte sich ins Wasser und atmete kurz durch. Der Mauerrand, den sie mit ihren Fingerspitzen berührte, fühlte sich kalt an. Schließlich ertastete sie einen Vorsprung in der Mauer, an dem sie sich hochziehen wollte, was misslang. Sie landete wieder im Wasser.
Beim zweiten Versuch hatte sie mehr Glück. Sie zog sich mit all ihrer Kraft hoch. Die Risse und Sprünge in der Mauer dienten ihren Händen und Füßen als Halt beim Hochklettern. Oben angekommen, ließ sie sich zur anderen Seite hinunterfallen. Sie landete im Dreck, stand aber bald sicher auf den Füßen.
Auf der verlassenen Industrieanlage rosteten ein paar Wagen vor sich hin. Alice lief zur Straße. In der Ferne sah sie die Lichter des Camdener Hafenviertels. Der Regen klatschte auf den Asphalt. Steinchen verirrten sich in ihre Schuhe, aber sie rannte weiter. Ein Minivan, der an ihr vorbeifuhr, spritzte sie mit Wasser voll.
Ein Straßenschild wies den Weg zum Wiggins Park, aber der schien ihr zu weit weg. Sie durfte keine Zeit mehr verlieren. Sie musste zum Flughafen.
Ein Taxi hielt an einem Stoppschild, Alice rannte hin und riss die Hintertür auf. »Steigen
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