Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
‚West-Gruppe’ und
haben die ‚ Gua -Zahl’ Sieben. Für uns ist also der
Osten die denkbar ungünstigste Lage. Und jetzt schau dir mal den Kompass an, wo
eure Tür hingeht.“
Ingrid hielt mir einen kleinen, alten Holz-Kompass
unter die Nase, den sie an einem Band um den Hals trug und der bei jeder ihrer
Bewegungen auf ihrem Busen tanzte wie ein Schiff bei starkem Wellengang auf
hoher See. Fast hätte ich lachen müssen über die Ironie, dass ihr ‚West- Rigoletto ’ von allen Wohnungen ausgerechnet eine im
Berliner Ostteil mit Haus- und Wohnungstür nach Osten ausgesucht hatte.
„ Igerich , wir gehen!“, befahl Ingrid in diesem Moment
dramatisch und wandte sich zur Treppe.
„Ingrid,
ihr könnt doch nicht einfach gehen?“
Ich sah sie verzweifelt an. Nicht, dass ich ungeheuer
scharf auf einen Abend mit Ingrid war, aber sie konnte doch jetzt nicht wirklich
gehen?
„Es
tut mir leid, Mandy, aber hier können wir nicht bleiben.“
Ingrid machte sich bereits auf den Weg zur Treppe.
Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr staunend nachzusehen. Igerich begab sich ebenfalls auf den Weg nach unten. Die
Kisten ließ er wie ein Mahnmal zur Erinnerung an Ingrids Ausbruch vor der Tür
stehen.
„Hat Rigoletto euch denn nicht gesagt, in welchem
Stadtteil unsere Wohnung liegt?“, rief ich den beiden hinterher, bekam aber nur
ein Schnaufen zur Antwort, von dem ich nicht wusste, ob es für mich bestimmt
war oder der Anstrengung entsprang.
Kapitel 12
Ich hatte keinen schönen Freitagabend. Nachdem ich
eine gute halbe Stunde fassungslos durch unsere schöne, neue Wohnung gelaufen war
und zu meiner Beruhigung die beiden Bodenvasen in die perfekte Position
gerückt, das Sofa glattgestrichen und mit der Hand über die flauschigen
Teppiche gestreichelt hatte, fiel mir ein, dass ich vielleicht Rigoletto anrufen sollte. Leider saß der noch im Flugzeug
und sein Handy war ausgeschaltet.
Ich war allein mit meinen Fragen und Sorgen. Wo waren
Ingrid und Igerich ? Waren sie in ein Hotel gegangen?
Hatten sie den nächsten Zug zurück nach Paderborn genommen? Irrten sie
orientierungslos durch die Straßen von Berlin? Würden sie sich jemals wieder
bei mir melden? Und – die wichtigste Frage – was war in den
Kartons? Hatte Ingrid sich vielleicht entschlossen, uns den Weihnachtsschmuck
vorzeitig zu überlassen? Oder das FKK-Filme-Archiv der Familie Hasenbein? Etwas
noch Schlimmeres? Ich seufzte und versuchte mir vorzustellen, was es noch
Schlimmeres als das FKK-Archiv geben könnte.
Es sprach nicht gerade für mich, aber meine Sorge um Rigolettos Eltern wurde weit übertroffen von der Sorge um
den Inhalt der Kartons. Ich ging in den Hausflur und begann, die Kartons zu
untersuchen. Weit kam ich nicht, da alle vier so dick mit Klebeband umwickelt
waren, dass man wahrscheinlich eine Säge brauchte, um sie zu öffnen. Nachdem
ich ein paarmal wie ein Tiger auf Beutefang um die Kartons herumgeschlichen
war, ging ich ins Bett. Ich konnte an diesem Abend nichts mehr ausrichten.
Am nächsten Morgen konnte ich immer noch nichts
ausrichten. Da ich keinerlei Ahnung hatte, wo Ingrid und Igerich sein könnten und sie nicht anrufen konnte, blieb ich einfach in unserer Wohnung
und wartete. Und wartete. Rigoletto konnte ich
ebenfalls nicht erreichen, er hatte sein Handy weiterhin ausgeschaltet. Ob und
wann war es meine Pflicht, eine Vermisstenanzeige aufzugeben? Was sollte ich
der Polizei sagen?
„Entschuldigung,
aber ich kann meine möglichen Schwiegereltern nicht finden. Sie standen gestern
bei mir vor der Haustür und sind weggelaufen, weil das Feng-Shui unserer neuen
Wohnung nicht stimmt. Seitdem habe ich nichts von ihnen gehört. Nein, ein Handy
haben sie nicht. Aber meine Schwiegermutter trägt einen Kompass um den Hals,
meinen sie das nützt was? Ach ja, und mein Schwiegervater ist leicht zu
erkennen, er geht immer drei Schritte hinter seiner Frau und hat ein
Rotweinglas in der Hand“, übte ich eine kleine Ansprache für den Kommissar, der
das Unglück haben würde diesen mysteriösen Fall übernehmen zu müssen.
Aber wahrscheinlich würde die Polizei mich eher in
die Klappsmühle stecken, als nach Ingrid und Igerich zu suchen, wenn ich die Geschichte ihres
Verschwindens berichtete.
Gegen Mittag wurde ich ernsthaft nervös. Keine
Ingrid, kein Igerich . Rigoletto nicht zu erreichen. Ein Festnetzanruf in
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