Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
entschieden
zurückrief und auf eine große Fotowand deutend sagte:
“Lächeln,
bitte! Für ein schönes Erinnerungsfoto.“
Was nun folgte, lässt sich eigentlich nur als eine Explosion
beschreiben und war selbst Igerich ganz
offensichtlich peinlich. Zunächst wurde Ingrid rot, sehr rot – und ich
hatte Mühe, nicht an einen Hahn mit angeschwollenem Kamm, gewickelt in die
portugiesische Nationalflagge, zu denken und laut zu lachen. Das Lachen verging
mir allerdings schnell. Denn nun raste Ingrid auf den freundlichen Portugiesen
zu und kurz dachte ich, sie würde ihn – passend zum Urlaubsland - wie ein
wütender Stier mit voller Wucht
rammen. Doch kurz vor dem erstaunlicherweise vollkommen unbeeindruckten Mann
kam sie zum Stehen und schnaubte ihn an:
“Ich
mache kein Foto! Diese Touristenfängerei mache ich
nicht mit!“
„Bitte
lächeln!“, antwortete der Fotograf ungerührt und strahlte Ingrid an.
„Niemals!“
Ingrid schrie jetzt so laut, dass einige Besucher aus der Halle nach vorne zum
Eingang kamen, um zu sehen was da los war. Zweifelsohne erhofften sie sich eine
ordentliche Schlägerei.
„Mama!“,
versuchte nun Rigoletto seine Mutter zu
beschwichtigen. „Wir müssen das Foto ja nicht kaufen. Du weißt doch, dass die
in Touristengebieten immer solche Fotos machen.“
„Ich
will aber nicht gegen meinen Willen von so einem Hansel fotografiert werden.
Ich bin ein freier Mensch und niemand kann mich zwingen.“
Ingrid stand einen Meter entfernt von der Fototapete, die übrigens
auf der einen Seite eine Stierkampfarena und auf der anderen Seite das Münchner
Oktoberfest zeigte. „Merkwürdige Wahl“, dachte ich noch, dann ging der Streit „Ingrid
gegen den Fotograf“ in die zweite Runde.
„Bitte
lächeln!“ Entweder hatte der Mann Nerven aus Stahl oder war auf Drogen, Ingrids
Wut ließ ihn jedenfalls vollkommen kalt.
„Niemals!“
Ingrid hatte ihre Lippen zu dünnen Strichen zusammengepresst und bewegte sich
nicht von der Stelle. Im Hintergrund hörte man die ersten Anfeuerungsrufe für
den Fotografen.
„Wie
wäre es, wenn einfach nur wir anderen das Foto machen?“, schlug ich vor, da
sich mittlerweile eine Schlange auf der anderen Seite der Eingangstür gebildet
hatte.
„Das
wir natürlich nicht kaufen“, beeilte ich mich hinzuzufügen, als ich die
entsetzten Blicke von Rigoletto und Igerich sah.
Ingrid kam nun auf mich zugeschossen und ihre Augen waren zu ebenso
dünnen Schlitzen geworden wie ihre Lippen. Drohend stand sie vor mir.
„Niemals!“,
fuhr sie mich an. „Niemand in meiner Familie macht diese Fotos. Diesen Nepp.
Diese Wegelagerei. Diese Enteignung des freien Willens.“
Ich versuchte, mich damit zu trösten, dass Ingrid mich bereits als
Teil der Familie sah, auch wenn es mir wirklich schwer fiel, mich daran zu
erinnern, warum genau ich das nochmal so erstrebenswert fand. Außerdem saß mir
der Schreck, dass ich fast unter Ingrid begraben worden wäre, in den Knochen.
„Bitte
lächeln!“, tönte der Fotograf erneut.
Kannte der Mann keine Angst? Ich jedenfalls hatte Sorge um mein
Leben. Rigoletto löste die Situation schließlich auf,
indem er dem Fotografen geschickt und ohne dass Ingrid es sah, ein größeres
Trinkgeld zusteckte. Ich wandte mich erleichtert dem Eingang zur Halle zu. Doch
nun blieb Ingrid plötzlich stehen, zog aus den unendlichen Weiten ihres
Dekolletés ihre eigene Kamera hervor und sagte, als wäre nichts gewesen:
“Stellt
euch doch mal vor die Wand, ich mache ein Foto von euch.“
In mein gewohntes Gefühl der Fassungslo sigkeit mischte
sich Peinlichkeit und Angst. Würde Ingrid als nächstes den Fotografen
auffordern, mit ihrer Kamera ein Bild zu machen, damit sie mit aufs Foto kam?
Endlich konnte ich dem Wort Fremdschämen eine eigene Erfahrung zuordnen. Doch
Ingrid ignorierte den Fotografen, der sie interessiert betrachtete und den Kopf
schüttelte. Stattdessen stellte sie sich in unsere Mitte, hielt die Kamera
soweit es ging von sich weg und drückte ab. Wahrscheinlich war auf dem Foto
nichts außer ihrem Atombusen zu sehen.
„Prima!“,
freute sich Ingrid. „Jetzt können wir reingehen“.
In der Halle
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