Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
erwartete uns so etwas wie Bierzeltstimmung, was
erstaunlich war, denn vorne auf der Bühne standen vier regungslose Portugiesen
in Ponchos und spielten auf ihren Gitarren lieblos Folklore-Musik. Da ungefähr
99,5 Prozent der Besucher Deutsche und betrunken waren, tat das der Stimmung
keinerlei Abbruch.
„Ich
gehe uns erst mal etwas zu trinken holen“, hörte ich Igerich sagen und schon war er verschwunden.
Ich sah Rigoletto an, um festzustellen,
wie er die kulturelle Veranstaltung seiner Mutter fand. Aber wie immer, wenn es
um Ingrid ging, war das Gesicht meines Hasen unlesbar. Ein lauter Trommelwirbel
hielt mich von weiteren Gedanken an die Rolle meiner Bald-Schwiegermutter im
Leben ihres Sohnes ab. Die vier Poncho-Portugiesen waren auf der Bühne zu Leben
erwacht und schrien in ihre Mikrophone:
„Wollt
ihr Folksweisen ?“
„Nein!“,
grölte die Masse zurück.
„Wollt
ihr Gitarrenmusik?“
„Nein!“
„Was
wollt ihr dann?“
„Hey,
Baby!“
In diesem Moment setzte der Aprés -Ski-Hit
von „ Dj Ötzi“ in einer unglaublichen Lautstärke ein
und die vier Portugiesen auf der Bühne rissen sich ihre Ponchos vom Leibe.
Darunter trugen sie Lederhosen und nun begannen die Vier, in die Hände zu
klatschen und immer wieder „Hey, Baby!“ in die Mikrophone zu schreien.
Für einen kurzen Moment tat Ingrid mir fast ein bisschen leid. Sie
hatte sich auf den Abend mit portugiesischer Kultur gefreut und nun waren wir
in einer schlechten Bierzelt-Kopie gelandet. Suchend blickte ich mich nach ihr
um, um ihr zu sagen, dass wir natürlich jederzeit gehen könnten. Allerdings
konnte ich sie nirgends finden - bis mein Blick auf eine der Holzbänke fiel.
Ingrid stand auf der Bank und stampfte mit ihren Füßen zum Gesang der vier
Lederhosen-Ponchos auf das Holz, was die Bank gefährlich erzittern ließ. Dazu
hatte sie die Arme in die Luft gestreckt und ließ ihre Fäuste im Rhythmus der
Musik auf und ab tanzen. Ihr gewaltiger Busen bebte, wie er noch nie in meinem
Beisein gebebt hatte. Ich sah Rigoletto an und er sah
mich an. Ich glaubte, in seinem Blick so etwas wie Entsetzen zu sehen.
Ansonsten wäre ich wohl auf der Stelle aus der Halle gelaufen und hätte versucht
nach Hause zu trampen. Und mit „nach Hause“ meinte ich Berlin. Da Resthoffnung bestand, dass Rigoletto ähnlich über den „Auftritt“ seiner Mutter dachte,
widerstand ich meinem Fluchtinstinkt und blieb. Was ich tief bereuen sollte,
denn so blieb es mir zwei Stunden später nicht erspart, von Ingrid zur
„Polonäse von Blankenese“ wie eine Kuh durch die Halle getrieben zu werden.
Gegen Mitternacht war Ingrid endlich erschöpft und wir erlöst von
unseren Qualen. Im Clubwagen auf dem Weg nach Hause konnte ich mir entgegen
meiner normalen Sprachlosigkeit eine erneute Frage nicht verkneifen:
„Was
steht eigentlich in deinem Reiseführer über die Veranstaltung?“
Ingrid kicherte glücklich wie ein Schulmädchen, das zum ersten Mal
von ihrem Schwarm, der zwei Klassen höher ist, bemerkt wird.
„Herrlich
war das, oder? Habe ich doch genau das Richtige ausgesucht für uns. Na, da
steht drin, dass die Show eine Mischung aus deutscher und portugiesischer
Kultur und bei den deutschen Urlaubern sehr beliebt ist.“
Ich sagte nichts und ich schwöre, dass ich es, bis ich mit Rigoletto in unserem Zimmer ankam, geschafft hatte, meine
Augenbrauen über den Kopf hinüber bis zum Hals nach hinten hochzuziehen.
„Und?“
Diesmal würde er keine Chance haben, mir zu entkommen.
„Ja,
es ist peinlich. Aber meine Mutter steht total auf diese Bierzeltsachen.“
Mein
Freund sah mich entschuldigend an und natürlich verzieh ich ihm. Wie immer. Ich
konnte nur hoffen, dass zumindest das nicht genetisch war und ich mit Rigoletto später zu
Hause keine Kellerbar einrichten musste, wo wir Oktoberfest für Arme spielen
würden. Am nächsten Tag fuhren wir nach Hause und ich brauchte vier ganze
Wochen mit viel, viel Stress bei der Arbeit, um mich von meinem Urlaub zu
erholen.
Kapitel 19
„Schatz,
wir müssen auf Diät gehen!“
Rigoletto kam ein paar Wochen nach unserem Urlaub mit ungewohnt ernster Miene ins
Wohnzimmer, wo ich gemütlich auf dem Sofa saß und durch
Weitere Kostenlose Bücher