Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
Vom Netzwerk:
der Küste und der Vogelwelt. Beinahe wie eine gemeinsame Religion, dachte er manchmal überrascht. Sie war ungewöhnlich, und er bestaunte ihr künstlerisches Talent; ihre Fähigkeit, ihm mit weniger als einem halben Dutzend Bleistiftstrichen den Eindruck zu vermitteln, dass er nicht auf eine Zeichnung, sondern auf einen lebendigen Vogel blickte, flößte ihm einen an Ehrfurcht grenzenden Respekt ein. Und er mochte ihre Kinder. Er mochte ohnehin kleine Kinder, aber diese beiden waren besonders liebenswert, vor allem der ältere Junge mit seiner Fantasie und seinen Ängsten. Steve hatte nur wenige Ängste, und es faszinierte ihn, wie jemand mit drei Jahren in seinem Kopf bereits das Fassungsvermögen für so viele Ängste haben konnte. Alles in allem übte Petra einen Reiz auf ihn aus, der ihn davon abhielt, aufzugeben und sich stattdessen einem der Mädchen zuzuwenden, die im Café des Reservats arbeiteten und ihm deutlich signalisiert hatten, dass er so ziemlich alles bekommen könnte, was er wollte.
    Darüber hinaus war er recht optimistisch, was Petras Ehe anging. Es mochte da irgendwo diesen Ehemann geben, aber sie erwähnte ihn so gut wie nie, abgesehen von dem einen Mal, als sie gesagt hatte, dass er nach London gegangen sei. Es hatte so geklungen, als sei er endgültig und nicht nur für ein paar Tage oder vielleicht eine kleine Weile fortgegangen. Steve hatte außerdem den Eindruck, dass Petra und der Vater ihrer Jungen aus vollkommen unterschiedlichen familiären Verhältnissen stammten. Obwohl das im Grunde kein Problem war, konnten sie doch nicht auf ähnliche Erfahrungen zurückgreifen. Petra war anscheinend eine Art Waise, die keine unmittelbaren Verwandten mehr in England hatte und deren Familie ihr auch früher weder Zusammenhalt noch Unterstützung geboten hatte. Sie hatte gelernt, sich allein durchzuschlagen, als sie noch zur Schule gegangen war, und all dies rief in Steve einen Beschützerinstinkt wach, umso stärker, weil er so ungewohnt war. Verlassen zu werden, von der Familie wie auch vom Ehemann, und scheinbar dennoch keinerlei Groll zu hegen, war für Steve Ausdruck eines bemerkenswerten Charakters. Und nun wollte er alles daransetzen, dass dieser bemerkenswerte Charakter sich ganz ihm zuwandte und in ihm die Lösung aller seiner Probleme erkannte.
    Und dann tauchte eine solche Gelegenheit bei der Arbeit auf. Die internen E-Mails der Organisation informierten auch über sämtliche freiwerdende Stellen. So war Steve zu seinem derzeitigen Job gewechselt. Er sichtete diese Bekanntmachungen weiterhin regelmäßig, ein bisschen so, wie ein zufriedener Hausbesitzer es nicht lassen kann, immer wieder die Immobilienanzeigen zu studieren. Es war eine Stelle auf einer Insel vor der Nordwestküste Schottlands, die Steve ins Auge fiel, eine Insel, die in der Welt der Vogelkundler berühmt war für ihre Wachtelkönige. Der Job erforderte einige praktische Fertigkeiten wie auch Erfahrungen im Vogelschutz, und zu den Konditionen gehörte ein Cottage am südlichen Ende der Insel. Die Insel selbst hatte nur eine kleine Gemeinde, aber auf der Nachbarinsel, die über einen kurzen Gezeitendamm erreichbar war, gab es eine Schule. Steve neigte nicht dazu, sich romantischen Fantasien hinzugeben, aber diese Stelle bot ihm vielleicht eine Möglichkeit, bei Petra weiterzukommen.
    Er klappte den Laptop zu und schaute aus dem Fenster. Es dämmerte bereits, und der weite kieselige, mit Strandkohl gesprenkelte Küstenstreifen schimmerte schwach im nachlassenden Licht. Steve war noch nie in Schottland gewesen, geschweige denn in den West-Highlands, aber als er jetzt hier stand und auf die dunkler werdende Nordsee schaute, beschwor er im Geiste ein Kalenderblattbild mit Hügeln und Flüssen und langen weißen, von Kaurimuscheln übersäten Stränden herauf. Das könnte vielleicht, ganz vielleicht die Lösung sein.
    Jed war allein im Studio. Luke war losgezogen, um eine neue Komponente für ihre gemeinsame Digitalkamera zu kaufen, die eine dreidimensionale Bildwiedergabe im Display ermöglichte. Jed bastelte gerade müßig an etwas herum, an dem sie beide vorher gearbeitet hatten, als der Schlüssel in der Tür herumgedreht wurde, und er sagte: »Das ging aber schnell«, um von Charlotte zur Antwort zu kriegen: »Ich bin’s, Charlotte.«
    Jed sprang auf.
    »Hallo, schwangere Lady! Hab dich gar nicht hier erwartet.«
    »Nein«, sagte Charlotte. »Ich hab mich hier auch nicht erwartet. Aber ich wollte Luke wegen etwas

Weitere Kostenlose Bücher