Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
Vom Netzwerk:
langem Schlaf geweckt worden und würde nun feststellen, dass man nicht nur die Freiheit hatte, zu entscheiden, sondern auch die Pflicht, weil einem niemand die Entscheidung abnehmen würde.
    Sie holte die Teekanne vom Regal, wo sie seit ihrem Einzug gestanden hatte, und pustete den Staub weg. Es waren Fingerabdrücke auf dem Deckel – ihre, vom Öffnen, um das Geld reinzustecken – und Spinnweben hingen von der Tülle. Sie blies dagegen, nahm den Deckel ab und kippte sie über dem Tisch aus.
    »Geld!«, staunte Kit. Er trug sein Spiderman-T-Shirt, bereit für die Reise, und sein Bagger steckte im Bob-der-Baumeister-Rucksack.
    Petra zählte das Geld.
    »Dreiundsechzig Pfund«, sagte sie zu Kit. »Das reicht. Das reicht für unsere Fahrt.«
    »In einer Rakete?«, fragte er hoffnungsvoll.
    »Nein. Im Bus. Aber einem Doppeldeckerbus mit Treppe.«
    Darüber dachte Kit nach. »Wohin fahren wir?«
    Petra sah ihn an. Er hatte nie eine besonders gesunde Gesichtsfarbe gehabt, aber in der letzten Woche war er besonders blass geworden, und jetzt mit dem noch vom Schlaf zerzausten Haar und dem vom Frühstück verschmierten Mund wirkte er einfach nur herzergreifend. Die Versuchung war groß, ihm zu erzählen, dass sie an einen Ort zurückkehren wollte, der ihm vertraut war, einen Ort, den sie mit Rücksicht auf ihn und Barney überhaupt nie hätte verlassen sollen. Da sie aber mit einem Misserfolg rechnen musste, war es nicht fair, ihm auch nur die geringste Hoffnung zu machen. So klaubte sie das Geld aus dem Durcheinander auf dem Küchentisch – obwohl der Scheck darunter verborgen war, schien er durch den Krempel hindurch wie brennende Kohle zu glühen – und sagte beschwingt genug, dass es wie ein Abenteuer klang: »London!«
    Kit reagierte nicht. Er nahm einen Löffel und schlug damit gegen ein Tischbein. Das hatte er schon am Tag zuvor getan, als Steve am frühen Abend aufgetaucht war, um sich zu entschuldigen. Petra hatte zunächst auch überlegt, sich zu entschuldigen, aber dann hatte sich ein anderer Impuls vorgedrängt, einer, den sie kannte, seit sie sich das erste Mal gegen ihre Großmutter behauptet und ihr in deren Küche stumm und teilnahmslos gegenübergestanden hatte, ohne sich auf einen Streit einzulassen oder klein beizugeben.
    Kit war zuerst begeistert gewesen, Steve zu sehen, war vom Tisch mit vollem Mund zu ihm gestürzt. Aber Barney erinnerte sich. Barney erinnerte sich an die Szene in Steves Küche, drehte sich in seinem Kinderstuhl herum und streckte flehend die Arme nach Petra aus, damit sie ihn in Schutz nahm vor den Turbulenzen, die Steve vielleicht mitgebracht hatte. Petra hob ihn wortlos hoch. Mit Barney auf dem Arm stand sie schweigend auf der anderen Seite des Tischs und rührte sich nicht vom Fleck. Auch Kit stockte mitten in der Bewegung. Wenige Zentimeter vor Steve blieb er stehen und sah sich nach seiner Mutter um. Dann wich er Schritt für Schritt zurück, bis er ein Bein von ihr umklammern konnte. Noch immer kauend, hielt er sich an ihrer Jeans fest.
    »Ich möchte mich entschuldigen«, begann Steve.
    Petra nickte.
    »Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist«, sagte Steve. Er breitete die Arme aus. »Vermutlich – also, vermutlich bedeutest du mir mehr, als ich gedacht habe. Ich – ich hätte dich nicht beschimpfen dürfen. Nicht so. Das hätte ich nicht tun sollen.«
    Petra stützte Barney auf ihrer Hüfte ab. Sie legte Kit die Hand auf den Kopf. Ganz schwach konnte sie unter ihrer Handfläche die Bewegung seines kauenden Kiefers spüren.
    »Ich bin gekommen, um mich für meinen Ausbruch zu entschuldigen. Könntest du mir verzeihen und es eventuell vergessen?«
    Petra reagierte nicht.
    »Bitte«, beschwor Steve sie. Eindringlich wiederholte er: » Bitte! «
    Es folgte nur Schweigen. Dann sagte Petra ohne Groll: »Verzeihen ja. Vergessen, nein.«
    »Aber …«
    »Wenn du so etwas einmal getan hast, wirst du es wieder tun.«
    »Ich schwöre …«
    »Ich bin nicht interessiert«, blockte Petra ab.
    »Bitte.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nur einen Monat. Nur eine Woche noch.«
    »Ich bin nicht interessiert«, wiederholte sie.
    »Was wirst du tun?«
    Petra sagte zu Kit: »Spuck es aus. Du kannst nicht ewig darauf herumkauen. Spuck es in den Mülleimer.«
    Kit ging zum Abfalleimer. Petra sah unverwandt zu Steve.
    »Auf Wiedersehen.«
    »Tu das nicht.«
    Hinter ihr spuckte Kit geräuschvoll.
    »Es ist dir ernst«, sagte Steve.
    Petra nickte wieder.
    »Okay.« Er sah Barney an. Dann drehte

Weitere Kostenlose Bücher