Schwiegertöchter (German Edition)

Zimmer, eine Küche unterm Dachvorsprung und ein Badezimmer mit einem riesigen Fenster, von dem aus man, etwas schwindelerregend, ganz weit unten die heruntergekommenen niedrigen Gebäude sehen konnte, in denen sich jetzt einige Künstlerwerkstätten befanden, darunter das Studio von Luke und Jed. Man konnte sogar ihr Oberlicht erkennen, entdeckte Charlotte, und sie stellte sich vor, wie sie an dunklen Winterabenden mit der liebevollen Verzweiflung einer Ehefrau hinunterschauen und sehen würde, dass die Lichter im Studio noch an waren, was bedeutete, dass Luke dort unten noch immer arbeitete, obwohl er längst oben in der Wohnung sein und jene köstlichen und dabei gesunden Mahlzeiten verzehren sollte, die sie so lange zu kochen üben würde, bis sie darin ebenso gut war wie Lukes Mutter. Sie vermutete, dass es bei den vielen Aufträgen, die Luke inzwischen von der Musikindustrie bekam, den neuen Nebenjobs, die er beim Film aufbaute, sowie dem Lichtdesign, das er für Konzerte entwarf, eine ganze Reihe Abende geben könnte, an denen sie hinunter auf das Oberlicht schauen und sehen würde, dass das Licht noch brannte. Sie schwor sich, nicht zu nörgeln. Sie schwor sich, weiter genauso glücklich und aufgeregt über das Fortschreiten seiner Karriere zu sein, wie er es war. Wie sie es im Moment war. Sie schwor sich, ihm nie Grund zu der Annahme zu geben, sie müsse vor schlechten Nachrichten beschützt werden wie Petra. Sie hatte keine Ahnung, was es mit Ralphs Geschäft auf sich hatte, außer, dass es irgendeine Art Onlinefinanzdienst war, etwas wie Anlageberatung oder so, und sie hatte keine Lust, genauer nachzufragen, weil die ganze Situation mit Ralph und Petra und den kleinen Jungs und Anthony und Rachel sie seltsam unsicher machte, egal wie oft ihr Luke versicherte, dass ihm niemand so wichtig sei wie sie. Sie wünschte, sie hätte Luke nichts von ihrer Eifersucht erzählt. Sie wünschte, sie wäre durch das ganze Thema mit jener erwachsenen Gelassenheit gesteuert, die deutlich machte, dass sie natürlich wegen Ralph betroffen, aber nicht im Geringsten persönlich beunruhigt war. Um das unreife Geständnis ihrer Verletzlichkeit wiedergutzumachen, sagte sie zu Luke, als sie von Venedig in ihre Wohnung zurückkehrten: »Lade Ralph doch hierher ein, wenn ihr mal reden möchtet. Er kann das Schlafsofa einweihen.«
    Und sie wurde von Luke dafür belohnt, indem er die Arme um sie legte und ihr ins Ohr hauchte: »Du bist ein absoluter Schatz.«
    Und nun befreite sie die neue, zur Hochzeit geschenkte Bettwäsche von den komplizierten Zellophanhüllen und Pappeinlagen und holte eine neue Bettdecke heraus und legte alles bereit, um später am Tag das Sofa für Ralph zu beziehen. Es war sieben Uhr morgens, die Sonne schien, Luke duschte und Charlotte, in einem Baumwoll-Minirock, engem gestreiftem Unterhemd und einer kurzen Militärjacke mit riesigen Messingknöpfen, war fertig, um zur Arbeit bei einem lokalen Radiosender in der Marylebone High Street zu gehen. Im Kühlschrank befanden sich alle Zutaten für einen Salat und Lachs zum Grillen, und später würde sie noch Brot, Käse und Erdbeeren besorgen und Luke würde Wein und Bier kaufen, und sie würde Kerzen anzünden und Ralph nicht sagen, dass er ihr erster Gast überhaupt war. Er könnte sich sogar als dankbarer Gast entpuppen. Luke hatte gesagt, er habe sich geradezu auf die Gelegenheit gestürzt, eine Nacht in London zu verbringen.
    »Er hat sogar gefragt, ob es dir auch recht ist«, sagte Luke. »Das ist das erste Mal, dass Ralph überlegt, ob er womöglich jemandem lästig ist.«
    Charlotte klopfte an die Badezimmertür. »Ich bin weg, Schatz!«
    Sie hörte, wie das Wasser und Lukes iPod ausgestellt wurden, und dann machte er die Tür auf. Er war nackt und nass. Er sah sie von oben bis unten an. »Geh nicht zur Arbeit, mein Engel.«
    Sie kicherte.
    »Ich muss. Ich bin in der Achtuhrschicht, und das heißt, ich muss um Viertel vor acht da sein. Das weißt du.«
    »Ich werde den ganzen Tag an dich denken. Den ganzen Tag.«
    Sie warf ihm eine Kusshand zu. »Ich auch. Wann kommt Ralph?«
    Luke trat einen Schritt vor und schloss sie in eine nasse Umarmung. »Er kommt, wenn er kommt. Vermisse mich. Vermisse mich den ganzen Tag.«
    »Versprochen«, sagte Charlotte.
    Zu Lukes Studio gelangte man über einen breiten asphaltierten Weg hinter den Gebäuden des Arnold Circus. Die niedrigen Häuser mochten früher mal Ställe oder Garagen gewesen sein, mit großen