Schwiegertöchter (German Edition)
übertriebenen Wisch mit dem Lappen über Kits Gesicht drehte er sich um und fing Petras Blick auf. Er lächelte wieder unbeschwert. Petra erwiderte das Lächeln. Dann warf er den Lappen in die Spüle und kam um den Tisch herum, an dem Petra noch saß, beugte sich ganz undramatisch zu ihr runter und küsste sie leicht auf den Mund.
Charlottes Schwester Sarah sagte zu, nach London zu kommen. Sie ließ es so klingen, als würde sie Charlotte einen Gefallen tun, aber in Wahrheit freute sie sich über die Gelegenheit, einen Tag in der Stadt zu verbringen. Sie mochte besonders die Marylebone High Street, wo Charlotte arbeitete, weil es dort nicht nur einen, wie sie ihrem Mann erzählte, hervorragenden Buchladen gab, sondern darüber hinaus auch noch einen fantastischen Wohltätigkeitsbuchladen. Ihr Mann, der nach jahrelanger Erfahrung, wenn er »Bücher« hörte, »Schuhe« verstand, nickte und wünschte ihr einen schönen Tag und bot an, die Mädchen von der Schule abzuholen. Er hatte gerade angefangen, Flugunterricht zu nehmen, und war darauf erpicht, sich vorsorglich etwas Kredit bei Sarah zu verschaffen für die Zeit und das Geld, das sein neues Hobby in Anspruch nehmen würde.
Sarah hatte eingewilligt, Charlotte in einem französischen Café mit blank gescheuerten Tischen und einer akzeptablen kontinentalen Speisekarte zu treffen. Sarah war im Buchladen gewesen, hatte dann in anderen Geschäften noch eine Kette und einen Pullover erstanden und sie in die Büchertüte getan, die Charlotte, in ihrer Familie dafür bekannt, nichts außer Illustrierte zu lesen, hoffentlich bemerken würde. Aber Charlotte, die hinreißend aussah in einem engen weißen Rock und schwarzem gesmoktem Top mit Tulpenärmeln und Wasserfallausschnitt, war nicht in der geistigen Verfassung, irgendetwas zu bemerken, außer, dass sie eine Verbündete in Gestalt ihrer Schwester hatte. Sie kam ins Café geflattert und umarmte Sarah so stürmisch, als hätten sie sich ein ganzes Jahr lang nicht mehr gesehen.
»Sarah, ich freue mich so, dich zu sehen, du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist, ich sterbe vor Hunger. Ich sterbe die ganze Zeit vor Hunger.«
Obwohl Sarah Charlotte in der Vergangenheit genauso bewundert hatte wie der Rest der Familie, warf sie in der letzten Zeit einen kritischeren Blick auf ihre jüngere Schwester. Sie fand, dass Charlotte dazu neigte, noch immer und in einem unakzeptablen Maß mit ihrem Kleinmädchencharme hausieren zu gehen, und dass sie allmählich realisieren sollte, dass sechsundzwanzig tatsächlich nicht mehr allzu jung war und die Ehe nicht einfach die Fortsetzung eines rosa glitzernden Hochzeitstags war, sondern ein ernsthaftes Unterfangen, das erwachsenes Verhalten und Kompromisse erforderte. Sie musterte Charlotte über den Tisch hinweg. Nicht nur, dass ihr Dekolleté sehr großzügig war, sie trug auch noch ein großes, mit Schmucksteinen besetztes Kreuz an einer langen Kette um den Hals, das zusätzlich die Aufmerksamkeit darauf lenkte.
»Du könntest ein bisschen dankbar sein, dass ich dir zuliebe so kurzfristig nach London gekommen bin«, sagte Sarah.
Charlotte blickte von der Speisekarte auf. Ihre Augen waren aufgerissen. »Ich bin dir doch dankbar …«
»Ich arbeite vielleicht nur halbtags«, sagte Sarah. »Aber es ist trotzdem nicht immer einfach, sich loszueisen.«
Charlotte ließ die Speisekarte los und legte ihre Hand auf die von Sarah. »Bitte, hack nicht auf mir rum …«
»Ich hacke nicht auf dir rum, ich sage nur …«
»Ich weiß, dass ich ein bisschen engstirnig war«, sagte Charlotte. »Aber es hat mich wirklich mitgenommen, ganz schlimm. Wenn sich Leute einfach so gegen mich stellen, dann dreh ich echt durch. Deshalb hab ich dich angerufen. Ich hab dich wegen Luke angerufen. Nachdem – nachdem er mich eine überspannte Diva genannt hat.«
Sarah starrte sie an.
»Das hat er nicht …«
Charlotte hielt inne. Sie ließ Sarahs Hand los und blickte auf den Tisch. »Also …«
»Charlotte«, mahnte Sarah.
»Er hat nicht widersprochen …«
»Er hat wogegen nicht widersprochen?«
Charlotte stützte das Gesicht in die Hände und starrte weiter auf den Tisch.
»Also, es hat mich wirklich aufgeregt, und ich habe geweint, als Luke mir erzählt hat, dass sein Vater seine Mutter nicht auffordern will, sich bei mir zu entschuldigen, und ich hab ein bisschen die Nerven verloren und zu Luke gesagt, dass sich alle gegen mich verbünden – genau so fühlt es sich an, Sarah – und mich
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