Schwiegertöchter (German Edition)
getroffen und sich damit in sich zurückgezogen.
»Petra?«
»Ja.«
»Petra, bist du glücklich nicht meinetwegen, sondern weil du mit diesem Kerl einen schönen Nachmittag verbracht hast?«
Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln und nahm das Messer wieder auf.
»Ja«, sagte sie.
Kapitel 13
Sigrid legte das Telefon weg. Sie hatte ihre Mutter in Stockholm angerufen, zu einer Zeit, da diese nach der Praxis bereits wieder zu Hause sein würde, aber ihr Vater noch nicht. Denn er würde aus dem Hintergrund, wenn auch sicher ohne böse Absicht, einen unterschwelligen Einfluss auf alles ausüben, das ihre Mutter zu Sigrid sagte. Sigrid hatte ihrer Mutter eigentlich von all den Reibereien innerhalb der Brinkley-Familie erzählen wollen und sich auf dem Nachhauseweg vom Labor überlegt, wie sie das Mittagessen beschreiben würde und Rachels Verhalten und Charlottes Reaktion und ihr anschließendes Gebaren. Aber als es schließlich so weit war, stellte sie verwundert fest, dass nicht nur irgendwie die Luft raus war, sondern dass sie tatsächlich das Gefühl hatte, die Brinkleys in Schutz nehmen zu müssen, ihre Unzulänglichkeiten nicht anprangern zu dürfen, auch nicht – oder schon gar nicht – ihrer Mutter gegenüber. Also führten sie stattdessen ein liebevolles und nichtssagendes Gespräch, so nichtssagend, dass Sigrid förmlich spüren konnte, wie sehr ihre Mutter sich beherrschte, um nicht zu fragen, ob alles in Ordnung sei.
Sie griff nach ihrem Becher und inspizierte den grünen Tee darin, den sie sich für das Gespräch gemacht hatte. Er war inzwischen kalt geworden, und mit dem Kranz brauner Ablagerungen sah er so appetitlich aus wie ein Becher Brackwasser. Sigrid ging zum Spülbecken und kippte ihn weg und füllte den Wasserkocher noch einmal. Kaffee war die Lösung. Kaffee war schon in ihrer Jugend immer die Lösung gewesen. Grüner Tee war kein Ersatz. Genauso wie in Mariellas Augen Wasser kein Ersatz für Saft war. Oder für einen Smoothie. Mariella war ein Vanillesmoothie – ihr Favorit – versprochen worden, wenn sie alle auf -ough endenden Wörter von ihrer Rechtschreibliste nach den Sommerferien nicht nur richtig aussprechen, sondern auch richtig schreiben konnte. Sie war seit Stunden in ihrem Zimmer und hatte sich wahrscheinlich vom Buchstabieren aufs Spielen verlegt, und der Boden wäre mit Scharen winziger vermenschlichter Spielzeugtiere übersät, die sie in Nestern aus Papiertüchern in ihren Schuhen zu Bett bringen würde. Sigrid hatte nicht vor, sie zu stören. Mit Miniaturmäusen und -dachsen zu spielen musste die Fantasie gewiss mehr anregen als zu lernen, warum cough und rough und bough alle gleich aussahen, aber nicht gleich ausgesprochen wurden. Englisch! Was für eine Sprache.
Sie hörte einen Schlüssel an der Wohnungstür, die gleich darauf aufschwang und mit einem Knall zuschlug. Edward kam wie immer schnell die Treppe zur Küche runtergelaufen und küsste sie – ziemlich geistesabwesend, fand sie – und ging weiter zum Kühlschrank.
»Du scheinst es ja nötig zu haben, oder?«, fragte Sigrid.
»Wasser«, sagte Edward nur. Er holte die Filterkanne aus der Kühlschranktür, goss sich ein großes Glas voll und fing an, es hinunterzustürzen. Sigrid sah ihm zu.
»Ist irgendwas?«
Edward trank weiter.
»Bitte«, sagte Sigrid. »Keine dramatischen Auftritte. Hattest du einen schlechten Tag?«
Edward stellte das Glas hin und füllte es wieder. »Ja.«
»Möchtest du mir davon erzählen?«
Edward nickte, bevor er weitertrank.
»Geht es um deine Familie?«
Edward setzte das Glas lange genug ab, um zu fragen: »Warum sollte es?«
»Weil es das gewöhnlich tut.«
»Wohingegen …«
»Nein«, unterbrach Sigrid ihn. »Nicht im Vergleich zu meiner, bevor du fragst. Ich hatte gerade eine völlig unmögliche Unterhaltung mit meiner Mutter.«
»Unmöglich?«
»Ich habe völlig sinnlos dahergeredet. Als würde ich sie überhaupt nicht kennen.«
»Warum?«, fragte Edward.
Sigrid ließ einige Sekunden verstreichen, bevor sie ausweichend sagte: »Ich weiß nicht. Vielleicht war ich müde.«
Edward ließ sich mit einem dritten Glas Wasser schwer auf einen Küchenstuhl fallen. »Ich bin müde.«
Sigrid wartete. Schließlich fuhr Edward fort: »Vor allem bin ich genervt, genervt von Ralph. Na ja, vielleicht nicht direkt von ihm , armer Hund, aber ich bin genervt von den Problemen, die er anzuziehen scheint.«
Sigrid setzte sich auf einen Stuhl Edward gegenüber. Vorsichtig fragte
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