Schwiegertöchter (German Edition)
hingehen.« Nach einem Moment fügte sie hinzu: »Also konnte ich mir denken, dass du auch hier bist.«
Charlotte stand langsam auf. »Ich bin nicht mit reingegangen. Sie wissen nicht, dass ich mitgekommen bin. Ich hab die Jungs nur hergefahren und sie abgesetzt. Am Tor.« Sie zögerte einen Moment und fuhr dann etwas unsicherer fort: »Sie wollen es ihnen sagen.«
»Ja«, sagte Petra. »Deshalb konnten wir nicht hingehen.«
»Guck mal!«, rief Kit aufgeregt. »Guck mal! Sie hat die Hörner rausgestreckt!«
Charlotte schaute hinunter. Die Schnecke zog sich jäh zurück.
Kit sagte: »Du darfst sie nicht angucken.«
Petra setzte sich auf einen Grasstreifen zwischen den Gemüsebeeten und hielt Barney auf dem Schoß. Sie fragte in Barneys Haar. »Was meinst du, was jetzt passiert?«
Charlotte setzte sich ihr gegenüber auf die andere Seite eines Beets mit großen, kräftigen Kürbisblättern. Sie schlug die Beine seitlich unter, stützte sich auf eine Hand und zupfte mit der anderen einzelne Grashalme raus.
Sie fragte behutsam zurück: »Was passiert denn im Moment?«
»Was?«
»Mit – mit euch. Mit dir und diesem Mann.«
»Er ist nett«, sagte Petra. »Er ist unkompliziert. Er lässt die Dinge sein, wie sie sind. Er heißt Steve.«
»Hast du …«, begann Charlotte und unterbrach sich.
»Habe ich was?«
»Hast du mit ihm geschlafen?«
Petra wischte über Barneys Kopf. »Noch nicht.«
Charlottes Kopf fuhr hoch. »Aber du hast es vor?«
Petra zuckte mit den Schultern. »Könnte passieren.«
»Aber du bist verheiratet!«
Petra sah kein bisschen beleidigt aus. Sie schaute Charlotte über die Kürbisblätter hinweg an. »Er hat gesagt, er muss frei sein.«
»Wer?«
Nach kurzem Zögern antwortete Petra mit plötzlich bedrückter Stimme: »Ralph.«
Charlotte stand auf und ging um das Kürbisbeet herum, gefolgt von Kit. Sie kniete sich neben Petra ins Gras, und zu ihrer Freude und Überraschung ließ sich Kit, noch immer die Schnecke in der Hand, auf ihrem Schoß nieder. Charlotte sagte mitfühlend: »Ach, Petra …«
Jetzt zitterte Petras Stimme. »Er hat gesagt, er muss frei sein, es wäre das Beste für uns alle. Also lasse ich ihn! Ich könnte ihn sowieso nicht davon abhalten, also lasse ich ihn. Und ich dachte, wenn er frei ist, dann gilt dasselbe auch für mich. Nicht frei von den Jungs, aber von ihm, wenn es das ist, was er will. Weil – weil, egal, was ich von ihm denke, egal, was ich von ihm will, er – na ja, er will nicht, dass ich etwas bin , er will nur, dass ich ihn nicht von irgendwas abhalte. Also lasse ich es.«
Charlotte schwieg. Sie legte die Arme um Kit, der gebannt ins Schneckenhaus spähte, und hielt ihn fest, und er lehnte sich gegen sie, warm und vertrauensvoll und unglaublich beruhigend.
»Und dann ist da noch das Meer«, sagte Petra. »Ich weiß, dass alle meinen, ich spinne, aber es ist wichtig für mich. Es ist unheimlich wichtig für mich, und es ist wichtig, dass Ralph das begreift. Das hatte er mal, aber jetzt nicht mehr. Jetzt will er so sein wie früher, bevor wir uns kannten. Er hat seine ganzen Anzüge wieder rausgeholt. Es interessiert keinen, was ich mache, keiner kommt auf die Idee, dass ich auch ein Recht habe, so zu leben, wie ich es muss. Keiner von ihnen. Ich dachte, Ralph wäre anders, aber das war wohl ein Irrtum. Nicht mal Ralph. Er will nur, dass ich so bin, wie es ihm passt. Wie alle anderen auch.«
»Ich nicht«, sagte Charlotte.
Petra seufzte. »Du kennst sie noch nicht richtig.«
»Ich weiß genug.«
»Nicht, um dich gegen sie durchzusetzen.«
Charlotte ließ ihr Kinn auf Kits Kopf ruhen. Ihr Blick schweifte zu dem offenen Schuppen, in dem alle Geräte wie in einer sauberen Küche ordentlich aufgereiht an Haken hingen.
Sie sagte: »Deshalb bin ich gekommen.« Sie drückte Kit noch ein bisschen fester an sich. Er lehnte jetzt ganz entspannt an ihr, beinahe schläfrig, und obwohl ihre gebeugten Knie von seinem Gewicht schmerzten, hätte sie nicht im Traum daran gedacht, sich zu bewegen. »Ich weiß nicht, was heute passieren wird«, sagte Charlotte. »Ich hab keine Ahnung, wie sie reagieren werden. Aber die Jungs werden zusammenhalten. Bruderkram. Also – also weiß ich nicht, wie sie es darstellen werden, wie sie ihnen die Geschichte erzählen.«
»Ich werde nicht gut dabei wegkommen«, befand Petra.
»Nein. Das glaube ich auch nicht.« Charlotte zögerte und überlegte, ob sie ihren eigenen anhaltenden Kummer mit Rachel ins Feld führen
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