Schwiegertöchter (German Edition)
ich weiß nicht.«
Ralph stützte die Hände flach auf den Tisch und beugte sich nach unten, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Sieh mich an!«
Langsam hob Petra den Kopf.
»Warum musst du ihn überhaupt treffen?«, fragte Ralph um Selbstbeherrschung bemüht.
Petra überlegte einen Moment und erklärte dann: »Weil ich einsam war.«
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Du hast mir nicht zugehört«, erwiderte Petra.
»Warum hast du es dann nicht Mum und Dad erzählt?«
Petra senkte den Kopf wieder. »Weil sie etwas hätten tun wollen. Sie hätten von mir verlangt, dass ich etwas tue.«
»Aber …« Wieder Schreien. »Du hast etwas getan!«
»Aber es war meine Entscheidung«, sagte Petra zu ihrer Zeichnung.
Ralph ließ sich schwer auf einen Stuhl ihr gegenüber fallen. »Was empfindest du für mich?«
»Dasselbe wie immer.«
»Und das wäre?«
»Ich mag dich«, sagte Petra. »Du bist cool.«
»Aber …«
»Aber du hast dich verändert. Du willst jetzt Sachen, die ich nicht will. Ich kann mich nicht ändern, nur um es dir recht zu machen.«
Ralph ließ den Oberkörper auf den Tisch sinken und barg den Kopf in den Armen. »Oh mein Gott …«
Petra schwieg.
Ralph sagte matt: »Ich habe mich nicht verändert, aber wenn wir leben und essen wollen, brauchen wir Geld, und ich habe die Möglichkeit bekommen, welches zu verdienen. Wie willst du ohne Geld für die Jungs sorgen, um Himmels willen? Und da du keinen Job hast, muss eben ich für unseren Unterhalt sorgen. Ich kann nicht fassen, wie – wie begriffsstutzig du bist.«
»Ich will diese Art Geld nicht.«
»Herrgott …«
»Ich muss nicht in so einem Haus leben. Ich brauche kein Auto. Es ist schön, eins zu haben, aber ich komme auch ohne zurecht. Ich mag es übersichtlich. Das war schon immer so.«
»Ach so, dann war die Großzügigkeit meiner Eltern also abstoßend für dich, ja?«, erkundigte sich Ralph sarkastisch.
Petra sah auf. Harsch sagte sie: »Sie haben nur getan, was sie tun wollten.«
»Soll heißen?«
»Ich bin nicht total blöd. Natürlich waren sie liebenswürdig zu mir, aber ich hab ihnen auch gut in den Kram gepasst.«
»Du undankbares kleines Gör .«
Petra stand auf, das Skizzenbuch in der Hand. »Es bringt nichts«, sagte sie.
»Was?«
»Es bringt nichts, wenn Menschen nett zu einem sind. Sie wollen immer so viel dafür zurückhaben.«
»Aber dein Liebhaber nicht«, sagte Ralph.
Petra drehte sich um. »Er ist unkompliziert.«
»Und ich bin das nicht.«
»Nein, du bist das nicht.«
»Warum gehst du dann nicht verdammt noch mal zu ihm und wohnst bei ihm!«
Petra ging in Richtung Flur.
»Das möchte ich nicht. Vielleicht später mal, aber im Moment möchte ich es nicht. Er versteht mich, er sagt mir nicht, was ich tun soll, er redet einfach mit den Kindern und gräbt die Kartoffeln aus, und ich muss nicht …«, sie brach ab.
»Was musst du nicht?«
»Mir andauernd meine Existenz verdienen .« Und dann war sie hinausgegangen, und er konnte ihre langsamen Tritte auf der Treppe hören und dann ein paar dumpfe Laute im Schlafzimmer, als sie ihre Schuhe auszog und auf den Boden fallen ließ.
Er blieb lange in der Küche sitzen. Er würde nicht umkehren, sagte er sich. Er würde nicht wieder der Ralph werden, der aus Singapur zurückgekommen war mit lauter unrealistischen, verträumten Vorstellungen von einem zurückgezogenen Leben in einem leeren Cottage an der Nordsee, wo er nur den Wind und die Möwen als Gesellschaft hätte. Selbst wenn er das gern gewollt hätte, er konnte es nicht, weil er das ganze Geld aus Singapur bei seiner Geschäftspleite verloren hatte. Alles, was er jetzt noch besaß, war ein kleiner Anteil an diesem Haus, das er nicht mehr wollte – falls er es je gewollt hatte –, und Petra auch nicht. Im Wesentlichen gehörte es der Bausparkasse, und so, wie ihm derzeit zumute war, konnten sie es gern haben. Sie konnten das Haus und das Auto und das zusammengestückelte Mobiliar haben, und er würde sie nur darum bitten, ihm die Klamotten für seinen Job in London zu lassen, der ihm sein Leben zurückgeben würde, sein Selbstwertgefühl. Und erst dann, wenn er wieder obenauf war und nicht mehr so am Boden zerstört, konnte er den Kampf um das Sorgerecht für seine Kinder aufnehmen. Denn das wollte er. Auf jeden Fall. Er wollte seine Jungs haben. Petra wäre ja nicht mal in der Lage, einen – einen Goldfisch großzuziehen.
Als er in jener Nacht schließlich nach oben ging, war Petra nicht im
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