Schwiegertöchter (German Edition)
Edward rief seine Nachrichten auf.
»In Stockholm für 3 Nächte. Sonntag zurück. X«
Er wählte Sigrids Nummer. Es dauerte einen Moment, bis die Verbindung zwischen London und Stockholm hergestellt war und ihre Ansage kam: »Das ist Sigrids Telefon. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, ich rufe Sie dann zurück. Vielen Dank.«
Edward machte den Mund auf, um zu sagen: »Ruf mich an«, überlegte es sich aber anders. Er warf das Telefon neben sich aufs Sofa. Sie war weggefahren, ohne ihm einen richtigen Abschiedskuss zu geben, und hatte ihm weder erklären wollen, warum sie ihn von dieser Spontanreise ausgeschlossen hatte, noch, woher überhaupt der Impuls dafür gekommen war, sich nach Schweden zurückzuziehen, wo sie sich anscheinend vor irgendwelchen Konsequenzen ihres Verhaltens und vor Reaktionen oder Gefühlen seinerseits sicher glaubte.
»Wirst du mich vermissen?«, hatte er Mariella in Sigrids Hörweite gefragt und sich selbst dafür verachtet. Mariella hatte ihn umarmt, als wäre er ein lieber alter Teddybär, ohne menschliche Gefühle. »Ein bisschen«, sagte sie. Und dann waren sie mit einem Koffer voller Shorts und Turnschuhen – Sigrid trug eine Baseballmütze und sah aus wie sechzehn – abgereist zu der Insel, wo sie laut Mariella im Schlafanzug frühstücken und segeln gehen und Lagerfeuer am Strand machen würden.
»Wir werden zusammen in einem großen Bett schlafen«, sagte Mariella. »Nur ich und Mummy.«
Edward hatte sich online über das Wetter in Südost-Schweden informiert, und es war herrlich, warm und klar und kaum Wind. Er stellte sich Sigrid und Mariella in dem Haus seiner Schwiegereltern vor. Es war eigentlich nicht mehr als eine große Hütte, weiße Mauern, graues Dach und mit romantischer nordischer Schlichtheit eingerichtet. Von drei Seiten schaute man aufs Wasser und in der Ferne auf ein Dorf aus weißen Häusern und einen Kirchturm mit rotem Dach. Er hatte in dieser Hütte mit Sigrid geschlafen, sie hatten am Strand Fisch auf flachen Steinen gegrillt, und sie war begeistert und beeindruckt gewesen, wie gut er segeln konnte und mit welcher Leichtigkeit er das Boot ihres Vaters handhabte.
»Du passt so gut hierher«, hatte sie gesagt, als sie am Strand lagen, ihr Kopf in seinem Schoß.
Nicht mehr gut genug, um mitgenommen zu werden. Nicht mehr gut genug, um sie auf die Insel zu begleiten und seine Schwiegereltern zu sehen, mit denen er sich immer blendend verstanden hatte. Nicht mehr gut genug – ach, verdammt, dachte Edward, stand vom Sofa auf und ging zur Küche, was geht da vor, was ist das für ein Spiel, hängt sie wieder durch, was ist eigentlich los?
Er machte den Kühlschrank auf, holte eine Flasche Bier heraus und knallte sie auf den Tisch. Was auch los sein mochte, was immer Sigrid vorhatte, er würde es allein durchstehen müssen. Er würde zu niemandem ein Wort sagen, ganz bestimmt nicht zu seinen Brüdern, solange Ralph selbst in der Klemme steckte und Luke erst noch sein neues Eheleben und den Zoff wegen der unerwarteten Schwangerschaft in den Griff kriegen musste. Und zu allem Überfluss würde Ralph während seiner ersten Tage in London hier bei ihnen wohnen, bis er am Monatsanfang sein Zimmer in Finsbury beziehen konnte, und er bräuchte Unterstützung und nicht die beunruhigende Erkenntnis, dass sein älterer Bruder, von dem er sich Halt und Anteilnahme erhofft hatte, in einer fast ebenso misslichen Lage war wie er selbst, wenn auch nicht so offensichtlich.
Edward öffnete die Bierflasche und nahm einen kräftigen Schluck. Sigrid würde in drei Tagen zurückkommen, vollgesogen mit frischer Luft und Sonne und glücklichen Schwedentagen, und obwohl er sich durch ihr Verhalten verletzt fühlte, wollte er nicht, dass sie zu einem schlecht gelaunten Ehemann und noch dazu einem unerwarteten Gast-Schwager zurückkehrte. Er trank einen weiteren Schluck Bier. Kein Schwelgen in Selbstmitleid mehr, nahm er sich vor. Keine selbstzerstörerischen Fantasien mehr. Wenigstens – wenigstens kommt sie nach Hause.
Sigrid hatte vorgehabt, eine Woche auf der Insel zu bleiben und zunächst vier oder fünf Tage mit Mariella allein zu verbringen, um mit ihr all die einfachen Dinge am und im Wasser zu tun, die ihr in Mariellas Alter so viel Spaß gemacht hatten. Dann hatte sie ihren Eltern vorgeschlagen, am Wochenende rüberzukommen und ihnen Gesellschaft zu leisten, und eine dankbare Zusage erwartet, da ihre Eltern die Insel liebten und Mariella, ihr einziges Enkelkind, schon
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