Schwimmen in der Nacht
stand, und kam die Tribüne zu mir hochgelaufen. Die Cheerleader machten sich auf den Rückweg und stieÃen dabei rhythmisch die Arme in die Luft. «Zwei, vier, sechs, acht, welche Mannschaft hatâs geschafft? Die Chargers!»
Eine Hand lässig auf die Hüfte gestützt, stand er vor mir. Das nasse Trikot klebte ihm am Oberkörper, die Schulterpolster wölbten sich gut sichtbar. Er sah groÃartig aus.
«Diese Mädchen haben versucht, sich mit uns anzulegen», sagte ich.
«Sie haben uns als Judensäue beschimpft.»
«Wer?» Er suchte mit seinem Blick das Spielfeld ab, das sich bis auf das Team geleert hatte.
«Keine Ahnung, wer das war.»
«Sie haben Sarah an den Haaren gezogen.»
Ich berührte meine Haare, die Erinnerung kam zurück.
«Sie sind im Wäldchen verschwunden.» Sophie zeigte auf die Bäume in der Ferne.
«Los, Mädels, kommt mit mir mit.» Anthony nahm uns beide an die Hände, als wüsste er, dass ich zögern würde, was ich aber nicht tat, weil er auch Sophie beschützte.
«Hey, Tony», rief einer aus seinem Team. «Du nimmst gleich zwei? Nicht schlecht!»
«Komm, zisch ab!», sagte er. «Seht ihr. Ihr bringt mich jetzt schon in Schwierigkeiten.»
«Tony, Alter!», rief ein anderer Typ mit Trikot.
Anthony machte eine wegwerfende Geste und lieà sich besonders viel Zeit, bis alle Teamkollegen abgezogen waren.
«Giselle wird das nicht gefallen, Tony», rief ihm ein anderer Junge zu.
«Ich will nicht, dass du Ãrger bekommst.» Ich zog meine Hand weg und packte meine Bücher.
«Lasst mich das mal machen. Ich begleite euch beide nach Hause. Wartet vor der Turnhalle auf mich.»
«Sie hatten kein Recht, sich so zu verhalten», sagte Sophie, die ihn auch loslieÃ.
«Das blonde Mädchen trug ein Armband aus Metall», sagte ich.
«Ja, ja, ich kenne sie», sagte er.
«Wer ist das?»
«Ich klär das schon», sagte er, und ich begriff, dass ich nicht weiter nachfragen sollte.
Als wir auf dem Schulhof ankamen, rief eine der Cheerleader nach ihm, ein Mädchen mit langen Beinen und einem schönen Mund. «Anthony. Komm rüber!»
«Wartet kurz», sagte er und lief über den Asphalt, um ihr Hallo zu sagen. Er gab ihr einen Kuss, küsste sie dann ein zweites Mal, diesmal länger. Das Mädchen hatte ein Knie angewinkelt und die Arme vor der Brust verschränkt, die sie beim zweiten Kuss runternahm. Enttäuscht wandte ich mich ab. Ich hatte nicht gewusst, dass er eine Freundin hatte. Margaret hatte mir nichts davon erzählt.
«Das ist dann wohl Giselle», sagte Sophie.
Ich zuckte mit den Schultern, wollte mich aber nicht wieder in seine Richtung drehen. Ich hörte, wie sich das Klacken seiner Stollenschuhe näherte. «He!» Er blieb neben mir stehen und berührte mein Kinn. «Es macht dir also was aus?»
«Ich schaue anderen nicht gern beim Küssen zu.»
Giselle war mit ihren Freundinnen schon bis ans hintere Ende des Schulhofs gelaufen und überquerte jetzt die StraÃe. «Warum machst du dir wegen ihr Gedanken? Wir machen grad Schluss.» Er blickte mich mit seinen verträumten violettblauen Augen an.
«Sah aber nicht so aus.»
«Tony, Alter, kommst du? Das reicht jetzt mit den Mädels!», brüllte einer vom Eingang der Turnhalle her.
Anthony sprintete die Treppen nach oben und drehte sich von dort zu uns um. «Bleibt, wo ihr seid.» Dann ging er rein.
Sophie und ich warteten unten an der Treppe. Der Schulhof war jetzt leer und völlig still. Auch der Himmelschaute gleichgültig auf unser Dilemma herab, dass wir auf diesem verlassenen Schulgelände festsaÃen. Ein paar Autos standen noch auf dem Parkplatz â wahrscheinlich das vom Trainer und das vom Hausmeister. Wenn das blonde Mädchen jetzt zurückkäme, müsste es erst mal den leeren Parkplatz überqueren, und in der Zeit könnten Sophie und ich reinrennen und den Trainer holen.
Sophie machte halbherzige Pliés und Dehnübungen, während ich mich an das Eisengeländer lehnte. Ein Auto kam die StraÃe entlang. Der Himmel verdüsterte sich zu einem Bratpfannenbodengrau. Es war spät. Zehn Minuten waren vergangen.
«Er lässt uns doch nicht hängen, oder?», fragte ich.
«Quatsch», sagte Sophie. Sie schlurfte mit einem Fuà vor und zurück, hob dann ihr Bein mit
Weitere Kostenlose Bücher