Schwimmen in der Nacht
durchgestrecktem Fuà hoch.
«Ich wünschte, er würde sich beeilen.»
Die schweren Eisentüren gingen auf. Anthony kam in StraÃenkleidung heraus, in einer schwarzen Hose und einer Varsity Jacke in den Schulfarben. Sein Name war auf den Rücken gestickt. Er hatte sich die Haare aus der Stirn gekämmt.
«Gehen wir, Mädels. Ich brauche eine Zigarette.»
«Die schmeiÃen dich aus dem Team.»
«Oh, du machst dir Sorgen um mich.» Er beeilte sich, auf den Bürgersteig auÃerhalb des Schulgeländes zu wechseln, wo er mir eine Packung Streichhölzer in die Hand drückte.
«Sarah, kannst du mir eins anmachen?»
Ich schüttelte den Kopf. «Nicht hier. Sonst sieht dich noch der Trainer.»
«Er ist drinnen. Mach schon Sarah, machâs für mich.»
«Nein.» Ich machte ein finsteres Gesicht, fühlte mich zugleich beschämt und manipuliert. Ich war ihm etwas schuldig, blieb aber stur.
«Mach es weiter unten», sagte Sophie.
Ich zeigte auf eine groÃe, blätterreiche Ulme. «Da vorn an der Ecke.»
Ich rannte voraus und blieb hinter einem Baumstamm stehen. Anthony schlenderte zusammen mit Sophie, die ihm einen dankbaren Blick zuwarf, weil wir nicht alleine nach Hause laufen mussten, hinterher. Ich war ihm auch dankbar. Als er sich wieder vor mich stellte und sich eine Zigarette in den Mund steckte, zündete ich ein Streichholz an, aber das Streichholz war feucht und ging nicht an. Er beugte sich mir noch weiter entgegen, er testete mich, seine Schuhspitzen berührten fast die meinen und die Zigarette hing ihm aus dem Mund. Ich probierte es mit einem neuen Streichholz, und diesmal klappte es. Die Flamme machte ein saugendes Geräusch, als das trockene Zigarettenpapier in der Hitze knisterte. Der Rauch roch süÃ. Ich wollte auch einen Zug haben.
«Lass mich mal ziehen», sagte ich.
«Ich glaube, du magst mich.»
Er gab mir die Zigarette und ich nahm einen kurzen, ungeschickten Zug. Ich spürte, wie ich aus Verlegenheit rot wurde. Ich hielt Sophie die Zigarette hin, aber sie wollte nicht. Also gab ich sie ihm zurück.
«Los, Mädels, zeigt mir, woâs langgeht.»
Ich ging zwischen Sophie und Anthony, während es immer dunkler wurde und Sophie von ihrem bevorstehendenTanzauftritt im Nussknacker-Ballett redete. Ich war froh über ihr Geplauder. Ich war zu aufgeregt, um etwas sagen zu können. Anthony und Giselle gingen mir nicht aus dem Kopf. Er hatte eine Freundin. Ich war allein. Ich musste beschützt werden. Nur das zählte. Der Himmel senkte sich herab und berührte die Baumkronen. Wir liefen durchs Zentrum in Richtung der Stadtteile auf den Hügeln, wo Sophie und ich wohnten. Ein schwarzer Cadillac bremste ab und hielt auf unserer Höhe an. Das Autofenster senkte sich auf Knopfdruck. Eine mollige Frau mit einem schönen Gesicht und hochgesteckten Haaren drehte sich in meine Richtung.
«Hallo, Sarah, meine Liebe», sagte meine Tante.
Ich lief rüber und beugte mich für einen flüchtigen Kuss zu ihr hinein. Sie warf einen Blick auf Anthony und Sophie und wollte erst etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders. «Alles in Ordnung?»
«Alles gut. Wir laufen nur zusammen nach Hause.» Das Offensichtliche zu sagen, klang albern, war aber die Wahrheit, zumindest beinahe. AuÃerdem wollte ich nicht, dass meine Tante oder irgendjemand anderes aus meiner Familie erfuhr, dass ich als «Judensau» beschimpft worden war, oder mein Interesse an Anthony mitbekam oder den anderen verriet, wie niedergeschlagen ich war, weil er eine Freundin hatte.
«Grüà alle ganz lieb von mir.» Das Fenster ging hoch und sie fuhr nahezu lautlos davon. Sanft glitt der Wagen über den nächsten Hügel.
«Nettes Judenkanu.»
«Judenkanu?» Ich drehte mich zu ihm um, und meine ganze unterdrückte Sehnsucht verwandelte sich in Bissigkeitund Unwohlsein. «Das ist das Auto meiner Tante. Warum sagst du das?»
Er riss entschuldigend die Hände hoch. «Das sollte nichts heiÃen. Das sagt man nur so. Okay? Mann. Ihr habt vielleicht eine Laune.»
«Das hat gar nichts damit zu tun», sagte Sophie. «Es ist einfach nicht besonders nett, das zu sagen, genau wie deine Freunde, die uns als Judensau bezeichnet haben. Meinst du nicht, das reicht für heute?»
«He, he, he, mach mal halblang. Ich mag Juden, okay?» Er schnippte den
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