Schwimmen mit Elefanten - Roman
Schach spielte? Von hinten erinnerte die Silhouette des Meisters an ein Schachbrett kurz vor dem Ende der Partie. Die gespannte Atmosphäre des erbitterten Kampfes hat sich gelegt, die meisten Figuren haben den Schauplatz verlassen, sodass auf dem leeren Schlachtfeld eine traurige Leere herrscht. Beim Schach beginnt jede Partie furios und endet einsam. Die Wange an die Fensterscheibe gedrückt, schaute der Junge seinem Meister hinterher, bis er im Wohnheim verschwunden war.
5
Nachdem der Junge seinen Meister zum ersten Mal besiegt hatte, machte er zusehends Fortschritte. Natürlich gewann er nicht ständig, aber selbst wenn er verlor, hatte er das Gefühl, immer sein Bestes gegeben zu haben. So war es nie eine Niederlage, bei der man blutete, bis man zusammenbrach, ohne vorher den Schlag des Gegners bemerkt zu haben. Inzwischen gelang es ihm, die eigene Blutspur zurückzuverfolgen und die Wunde zu heilen. Auf diese Weise mehrten sich die Partien, die er gegen den Meister gewann.
Eines Tages hatte der Junge zum ersten Mal Gelegenheit, gegen jemand anders zu spielen. Er war mit seiner Großmutter und seinem kleinen Bruder in der Stadt unterwegs, und im Kaufhaus fand ein Schachturnier für Kinder statt, an dem er teilnahm, nachdem er all seinen Mut zusammengenommen hatte.
Seine Gegner waren Kinder, die gerade erst gelernt hatten, wie man die einzelnen Figuren zu setzen hatte, und die von ihren Vätern tatkräftig unterstützt wurden. Keines von ihnen war sonderlich begabt oder stellte für den Jungen eine Herausforderung dar. Er gewann ohne Probleme all seine Partien. Der Veranstalter war bestürzt, dass das Turnier so rasch vorüber war und der Sieger viel früher feststand als geplant. Der Junge erhielt als Preis einen Einkaufsgutschein.
»Es ist großartig, dass du das Turnier gewonnen hast! Ich bin sehr stolz auf dich.«
Der Junge wusste gar nicht, wie ihm geschah. Es war ihm fast peinlich, dass seine Großmutter so aufgeregt war.
»Aber das ist doch keine große Sache«, wehrte er ab, doch sie wollte sich gar nicht beruhigen.
»Wie deine Mutter sich gefreut hätte, wenn sie noch am Leben wäre«, schluchzte sie und betupfte sich die feuchten Augen mit ihrem Tuch.
»Hey, jetzt können wir Spielsachen kaufen«, rief sein kleiner Bruder, als er den Gutschein sah.
»Das kommt nicht infrage! Dein Bruder hat sich den Preis redlich verdient. Er darf entscheiden, was damit geschieht.«
Die Großmutter nahm das Tuch von den Augen und schlug nun einen strengen Ton an.
»Hörst du? Der Preis gehört dir allein. Kauf bloß nicht irgendwelchen Unfug! Behalte den Gutschein, bis du etwas Ordentliches findest, was dieser ehrenvollen Auszeichnung würdig ist«, sagte sie und nahm seine Hand.
Der Junge wollte gerade erwidern, dass er die Worte »ehrenvolle Auszeichnung« übertrieben fand, verkniff sich jedoch diese Bemerkung und betrachtete die Hände der Großmutter, die fast so klein wie seine eigenen waren, aber ausgedörrt und runzlig.
»Hast du schon mal vom Pazifik-Schachklub gehört, mein Junge?« fragte der Meister einige Tage später. Er war sich bewusst, dass der Zeitpunkt gekommen war, wo sein Schüler den Bus verlassen musste, um sich zu verbessern.
»Das ist der traditionsreichste Schachverein in der Stadt. Hast du nicht Lust, dich für die Aufnahmeprüfung anzumelden?«
»Warum?«
»Wenn du dort Mitglied bist, kannst du unter vielen verschiedenen Gegnern wählen. Außerdem darfst du an Turnieren teilnehmen.«
»Darauf kann ich verzichten«, sagte der Junge, nachdem er einige Momente darüber nachgedacht hatte. Was immer es sein mochte, er hatte keine Lust, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben.
»Aber ich komme gerne hierher. Es bedeutet mir sehr viel, gegen dich zu spielen.«
»Das freut mich zu hören. Aber du solltest dich nicht auf einen einzigen Gegner beschränken. Es gibt so viele verschiedene Spieler. Willst es nicht wenigstens ausprobieren?«
Damit dem Jungen die Entscheidung nicht zu schwer fiel, wandte der Meister sich ab und machte sich beiläufig am Wassertank zu schaffen, der über dem Fahrersitz hing.
»Das Turnier neulich im Kaufhaus hat mir aber überhaupt keinen Spaß gemacht.«
»Ach, das war doch Kinderkram. Die Mitglieder des Schachklubs sind ein ganz anderes Kaliber. Das sind alles ausgezeichnete Spieler. So wie du, mein Junge. Die sind viel stärker als ich. Wenn du dich verbessern willst, musst du gegen stärkere Gegner antreten, sonst wirst du nichts dazulernen. Schach
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