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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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war weit und breit niemand, von dem ich das auch nur ansatzweise behaupten könnte.
    Am liebsten hätte ich den Fuchs jetzt angerufen. »Helfen Sie mir«, hätte ich gesagt, »ich bin in einen Albtraum geraten und
     weiß nicht, was ich machen soll!« Aber das ging nicht. Es war Samstag, kurz nach sechs Uhr abends. Niemand arbeitete um diese
     Zeit.
    Auch als ich mein Handy aus der Tasche zog, um mich an den Stimmen meiner Eltern festzuhalten, hörte ich nur unseren Anrufbeantworter.

23
    Wenn wenigstens Chris heute Nachmittag hier wäre! Obwohl er als möglicher Briefschreiber in Betracht kam, hätte ich ihn gern
     gesehen. Jedenfalls lieber als Mickey, der mir alberne Zeichen machte, wieder hereinzukommen, während Julian Laura und Dustin
     gerade ein paar Takte auf seinem Saxofon vorspielte. Enttäuscht wandte ich dem Ferienhaus den Rücken zu, machte ein paar Schritte
     Richtung Garten – und sah Mirko. Er hockte in der offenen Terrassentür und streichelte seine Katze.
    »Komm lieber rein, Mohrle«, sagte er, den Blick auf mich gerichtet, »ist ein Mistwetter draußen. Komm!«
    Mohrle wollte nicht. Sie rieb ihren Kopf an seiner Hand, streckte sich so, dass er sie dort kraulte, wo’s ihr gefiel, blieb
     aber draußen.
    Obwohl ich mir eine solche Gelegenheit gewünscht hatte, eröffnete ich diesmal nicht forsch das Gespräch, sondern stand verunsichert
     da und überlegte, was ich sagen könnte.
    »Magst du Katzen?«, fragte Mirko, eine so unerwartet einfache, belanglose Frage, die mich noch mehr ins Schwanken brachte.
     Er sah überhaupt nicht fies aus, wirkte eher schüchtern und wurde von Mohrle bestimmt geliebt.
    »Hmm.« Ich hätte selbst gern eine gehabt, aber meine Mutter hatte eine Allergie gegen die Haare.
    »Sie hat wieder eine Zecke, man muss aufpassen im Wald.«
    »Ich glaub, das muss man auch überhaupt.«
    Mirko zuckte die Achseln. »Jaa«, sagte er gedehnt.
    Aus unserer Wohnung war lautes Gelächter zu hören.
    »Ist die ganze Bande wieder versammelt?«
    Ich nickte.
    »Und? Sind sie schon betrunken?«
    Gegen meinen Willen musste ich lächeln.
    »Wie hältst du’s eigentlich bei denen aus? Ich an deiner Stelle   …«
    Würde nach Hause fahren, ergänzte ich in Gedanken. Das hatte ich kurioserweise seit dem ersten Abend vor und war immer noch
     hier.
    »Na ja, ich will mich da nicht einmischen.« Mirko stand auf, griff nach seiner Katze und wollte mit ihr im Haus verschwinden.
     Mohrle aber hatte ihren eigenen Kopf. Sie schlug ihn mit der Pfote und sprang aus seinen Armen.
    Ich grinste. »Typisch Katzen! Die lassen sich nichts vorschreiben.«
    Mirko lächelte leidvoll. »Und unsere sowieso nicht!«, sagte er im Plauderton. »Wie oft mein Vater ihr schon verboten hat,
     in seinem Bett zu schlafen, aber sie hältsich nicht dran – besonders dann nicht, wenn’s frisch bezogen ist.«
    »Es ist schön, ein Tier zu haben. Aber bei uns in der Stadt   … na ja.«
    Das Gespräch versickerte. Wir schwiegen.
    »Willst du immer noch wissen, wer mit Esra auf den Fotos war?«, fragte Mirko nach einer Weile.
    »Ich glaube, ich weiß es schon«, antwortete ich bitter.
    Mirko nickte. »Jetzt denk aber bitte nicht, ich hätte die Fotos wegen Julian gemacht. Ich habe an dem Abend tausend Fotos
     geschossen. Ich wusste auch gar nicht, dass Julian eine Freundin hat.«
    »Okay.« Da hatte ich sie also, die Klarheit, die ich mir wünschte. Letztendlich hatte ich sie schon heute Morgen gehabt, denn
     im Nachhinein gesehen waren Mirkos Schweigen und die Andeutungen von Chris bereits deutlich genug gewesen. Nur hatte ich Julians
     Verrat nicht wahrhaben und vor allem nicht offen thematisieren wollen. Weil ich Angst vor meiner Wut gehabt hatte, hatte ich
     mir eingeredet, dass ich nicht genau wisse, ob diese Wut überhaupt berechtigt war. Das war eine Erkenntnis, die hätte vom
     Fuchs stammen können.
    »Weißt du   … Ich kenne deinen Namen gar nicht!«
    »Eva.«
    »Eva, ich weiß nicht, ob’s dich interessiert, aber ich bin nicht so fies, wie die anderen es dir weismachen wollen. Das musst
     du mir nicht glauben, aber es ist so.« Er hob die Hand. »Tschüss!«
    »Ich glaub dir das«, sagte ich schnell. Das tat ich wirklich. Seine Version der Foto-Erpressungsgeschichte klang nicht weniger
     einleuchtend als Esras. Sicherlichhatte er provoziert, aber Esra und Julian hatten beide überreagiert.
    Auf einmal wollte ich nicht, dass Mirko ging. Ich fühlte mich ihm verbunden. Er lehnte die Clique genauso ab wie ich,

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