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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Leute fragen.«
    »Wir haben euch nicht in Verdacht«, sagte Julian schnell.
    »Wen denn?«, schnappte Dustin. »Chris etwa?«
    »Ach, nein! Wir wissen’s nicht! Wir können uns nicht vorstellen, warum jemand will, dass Eva abreist.«
    »Das schreibt er so nicht«, warf ich ein.
    Julian nickte. »Eben, darüber habe ich auch nachgedacht. Der schreibt nur so ’n ungenaues, aber fieses Zeug. Also, wenn ihr
     mich fragt, geht’s dem nicht um was Konkretes, der hat einfach Spaß daran, Leute fertigzumachen.«
    »Ein Typ wie Schleicher«, sagte Laura.
    »Genau.«
    Herrje, was anderes fiel ihnen auch nicht ein!
    »Alter, das passt zu Schleicher.« Mickey ballte die Fäuste. »Der will noch einen in die Fresse. Kann ich den Drohbrief mal
     sehen? Ich kenne die Schrift vom Schleicher.«
    Das fehlte mir gerade noch, dass die Clique auf einen bloßen Verdacht hin Mirko in meinem Namen zum zweiten Mal zusammenschlug!
    »Das möchte ich nicht, Mickey«, sagte ich scharf. »Da steht ein Auszug aus meinem Tagebuch drin, und der geht niemanden was
     an.«
    »Oho, Evas kleines Geheimnis«, sagte Mickey, rollte theatralisch mit den Augen und grinste Laura so zweideutig an, dass die
     kichern musste und meine alte Abscheu gegen sie vollends wieder ausbrach.
    »Ja, mein Geheimnis!«, rief ich, stand auf und flüchteteauf die Terrasse. Selbst wenn sie recht hätten, was Mirko anging: Es war meine Sache und ich wollte sie auf meine Weise klären.
    Die Weinlaubblätter schwammen in tiefen Regenpfützen. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah traurig in den Himmel hinauf.
     Ohne dass ich es wollte, kamen mir plötzlich Passagen meines Tagebuchs in den Sinn, Sätze, die ich in rasender Eile aufgeschrieben
     und anschließend wohl ein dutzend Mal seufzend nachgelesen hatte, Worte, die Klarheit gebracht und Trost gespendet hatten,
     die für andere belanglos und blöd, für mich als Reflexionen aber ungeheuer wichtig gewesen waren:
    Der Fuchs hat eine ganz beruhigende Stimme. Zuerst mochte ich sie nicht, er verschluckt nie eine Silbe und spricht Eva immer
     mit langem »E« aus. Für eine Therapie ist so eine Stimme aber nicht schlecht, du fühlst dich wie auf einem träge dahinfließenden
     Fluss, du vergisst, dass du aufgeregt bist und dass dich jemand ununterbrochen mit Argusaugen anschaut (wir sitzen uns schräg
     gegenüber und haben, wenn ich nicht gerade das Teppichmuster studiere, Blickkontakt) , da fängst du ziemlich schnell an zu reden.
    Ich wusste noch genau, dass so der erste Eintrag in mein Tagebuch begann, ich hatte ihn in verschreckter, kleiner Schrift
     ganz oben an den Kopf der Seite geschrieben, so nah an den Rand, dass ich das Datum später regelrecht über die Buchstaben
     quetschen musste.
    Er bleibt fast immer ruhig. Schaut man ihn an, weicht er nie dem Blick aus, sondern guckt intensiv zurück. Er sieht mich überhaupt
     fast immer an, manchmal guckt er überrascht, manchmal zweifelnd, aber bisher immer
freundlich. Das Beste, was ich tun konnte, war, ihm zu sagen, ich hätte Angst, er könnte mich ablehnen, wie alle anderen es
     tun. Ich bin froh, dass ich das gesagt habe.
    Ich war auch froh gewesen, als ich es niedergeschrieben hatte. Jetzt hätte ich mir die Finger brechen mögen, um den Text ungeschrieben
     zu machen.
    Der Fuchs hat so eine überrumpelnde Art, er knallt dir zuerst eine tollkühne Behauptung an den Kopf, dann protestierst du
     und jetzt, da er dich so schön provoziert hat, kann er dir hintenrum deine verborgensten Geheimnisse entlocken, während er
     dich vornerum wieder beruhigt. Und dann sitzt du vor Schreck wie gelähmt da und er lullt dich ein mit seiner sanften Stimme
     und du starrst auf die Papiertaschentücher und denkst: Nein, ich heule nicht, die liegen da, damit ich heule, aber ich heule
     nicht!, und dann kriegst du wieder Blickkontakt zu ihm und er sagt dir irgendwas Belangloses, Auswendiggelerntes, Nettes,
     und dabei lächelt er professionell gütig, routiniert-liebevoll und du nickst ergeben – sorry, Kindchen, aber du bist hier
     der Patient – und dann schluckst du die Kröte: Ja, ich bin vielleicht ängstlich, ja, ich habe Probleme, ja, vielleicht haben
     Sie recht, ja, ich brauche wirklich HILFE.
    Ich sah meine Schrift vor mir, türkisblaue Buchstabenwellen:
    Andererseits würde ich mich nicht mehr schämen, vor dem Fuchs zu weinen, erstens ist er das ja eh gewohnt und zweitens braucht
     man sich ja nicht zu schämen, wenn man vor jemandem weint, dem man vertraut.
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