Schwindelfreie Luegen
natürlich weiß ich, was das SCTIP ist.
»Wir bekämpfen die grenzüberschreitende Kriminalität. Sie haben doch sicherlich von dem Juwelenraub gehört, der sich heute Nacht ereignet hat ?«
Ich nicke. »Ja, es ist schwer, davon nichts mitzubekommen.«
»Dürfen wir hereinkommen und Ihnen einige Fragen stellen?«
Da er bereits halb im Zimmer steht, nicke ich und weiche zurück, um der Schar an Polizisten Einlass zu gewähren , die sich hinter ihm in meine Suite drängen.
»Madame, ich möchte Ihnen Lieutenant Nicolai dʼ Angely von Europol vorstellen, der Sie gerne zu dem Diebstahl in Düsseldorf befragen möchte.«
Er tritt zur Seite, um den Mann vorzustellen, von dem ich bisher nur eine schwarze abgetragene Lederjacke in Augenschein nehmen durfte.
Als er sich umdreht, bleibt mir das Herz für eine Sekunde stehen. Ich atme zwar, aber weiß nicht wie.
» Mademoiselle Komarow«, sagt er in einem tiefen Ton und ich schaue in die Augen von Jean Godard, dem Mann, der noch heute Morgen in meinem Bett lag.
D ʼ Angely reicht mir die Hand, die ich nicht ergreife. Ich wende mich stattdessen dem Fenster zu, damit ich ihm nicht in die Augen schauen muss. Mir ist nicht klar, welcher Film hier gerade abläuft, nur weiß ich, dass ich vorsichtig sein muss, um nicht meine Tarnung auffliegen zu lassen oder gar verhaftet zu werden. Ich schlüpfe in die Rolle der Frau, die nichts anderes verbrochen hat, als ihr Herz an einen Lügner und Dieb zu verlieren. Schwer fällt mir das nicht, allerdings spüre ich plötzlich, wie sich Zorn in mir breitmacht. Ich kann es nicht fassen, dass Jean so tut, als hätte er mich nie zuvor gesehen! Okay, als Nicolai dʼ Angely hat er es auch noch nie. Plötzlich habe ich das Gefühl, ihn überhaupt nicht zu kennen. Er geht an mir vorbei, als wären wir uns total fremd, und wirkt fremd in seinen Jeans und dieser abgetragenen Lederjacke. Seine Kleidung ist ganz in schwarz gehalten, was ihn düster und unnahbar erscheinen lässt, aber nicht weniger erotisch als in Anzug und Krawatte. Sein Blick fällt auf den Umschlag, der auf dem Nachttisch liegt.
»Darf ich?«, fragt er und nimmt die Karte zur Hand. Ich zucke nur mit den Schultern. Als wenn er nicht wüsste, was darauf geschrieben steht.
»Madame, sind Sie bereit , uns ein paar Fragen zu beantworten?«, richtet der Inspecteur wieder das Wort an mich. Im Augenwinkel sehe ich, dass Jean die Karte unauffällig in seiner Jackentasche verschwinden lässt.
»Inspecteur, ich habe vorher eine Frage an Sie: Haben Sie sich je vor dem Tod gefürchtet?«
Irritiert schaut Chevalier mich an, zieht eine Augenbraue fragend in die Höhe. Er weiß nicht, vorauf ich mit meiner Frage hinauswill, doch ich bin sicher, einer in diesem Raum versteht was ich meine. »Ich bin der Meinung, nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben! Habe ich nicht recht, Monsieur dʼ Angely?«, frage ich und drehe mich in Jeans Richtung.
Seine Blicke scheinen mich durchbohren zu wollen, so intensiv gleiten sie über meinen Körper. Glaubt er vielleicht, ich trage eine Waffe unter meiner Kleidung? Ich warte immer noch auf eine Antwort und jeder andere Mann im Raum scheint es ebenso zu tun.
»Nun, Mademoiselle Komarow, Sie sollten das Leben leben und nicht über den Tod nachdenken«, antwortet Jean alias Nicolai schließlich auf meine Frage, mit seiner tiefen sonoren Stimme, die mir direkt ins Herz fährt. Selbst in dieser Situation schafft er es, eine solche Reaktion bei mir hervorzurufen. Völlig unbewegt, als wäre er einer der Stars, die bald den roten Teppich bei den Filmfestspielen entlangschreiten werden, beantwortet er meine Frage, als hätte sie ihm ein Journalist gestellt. Ich sollte ihm Beifall zollen für diese außerordentliche schauspielerische Leistung.
»Inspecteur Chevalier, dürfte ich wohl mit Mademoiselle Komarow einen Augenblick alleine sprechen?«
Im ersten Moment will ich gegen diesen Wunsch protestieren, doch in der nächsten Sekunde wird mir klar, dass dies meine Gelegenheit ist, Antworten zu bekommen.
Irritiert schaut der Inspecteur Nicolai an. »Wenn Sie dies wünschen, Lieutenant.«
»Stehe ich hier unter irgendeine m Verdacht?«, frage ich misstrauisch.
»Nein , Madame, wir sind lediglich hier, um Sie als Zeugin zu vernehmen«, versucht Chevalier mich zu beruhigen.
»Dann verstehe ich Ihre Eskorte nicht ganz«, sage ich und weise mit meinem Kinn auf die drei Polizisten, die sich im Raum verteilt haben,
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