Schwindelfreie Luegen
bin hier, um meinen Job zu erledigen.
Jean, so denke ich schmunzelnd, während ich in meine Schuhe schlüpfe, war mit seinen wunderbaren Zärtlichkeiten ein Geschenk der besonderen Art. Selbst wenn der Mann vor Geheimnissen platzt, was habe ich damit zu tun? Ich bin in wenigen Tagen wieder zu Hause, sobald der Fall erledigt ist.
Als Lärm zu mir ins Zimmer dringt, trete ich auf den Balkon, um nachzusehen, was los ist. Mindestens ein Dutzend Polizeiwagen rasen mit hoher Geschwindigkeit die Straße entlang in Richtung Kongresshalle.
W eil Jean noch etwas zu erledigen hat, wollen wir uns an der Ablegestelle der Fähre treffen, die uns nach St. Marguerite bringen wird. Als ich dort ankomme, muss ich auf ihn warten, denn er ist nirgends zu sehen. Da ich seine Handynummer nicht habe, kann ich ihn nicht anrufen. Um mir die Zeit zu vertreiben, kaufe ich schon mal die Karten für die Überfahrt.
Langsam beginnt die Fähre sich zu füllen, doch von Jean keine Spur. Selbst als das Boot ablegt, ist er immer noch nicht aufgetaucht und es fährt ohne uns ab. Ich warte noch eine geschlagene Stunde, bis es keinen Zweifel mehr gibt: Er wird nicht kommen.
Wütend zerreiße ich die Karten und werfe sie ins Meer. Das Beste wird sein, wenn ich einfach zurück zum Hotel gehe, um zu sehen, warum Jean mich versetzt hat.
Der Weg ist nicht weit, aber die Sonne brennt heiß vom Himmel und ich komme ziemlich verschwitzt im Hotel an.
»Entschuldigung, ist Monsieur Godard auf seinem Zimmer?«, frage ich am Empfang nach.
Der freundliche Concierge schüttelt bedauernd den Kopf. »Es tut mir leid, Madame, aber wir dürfen keine Auskünfte über unsere Gäste geben.«
»Oh, ich bin selber Gast bei Ihnen«, ich halte ihm die Key Card unter die Nase, »Zimmer 703. Ich bin mit Monsieur Godard verabredet.«
Irritiert hebt der Hotelangestellte seine Augenbrauen. »Dann müsste Ihnen ja eigentlich bekannt sein, dass Monsieur Godard heute Vormittag abgereist ist.«
Ich halte mich am Tresen fest, weil ich spüre, wie meine Beine nachgeben.
»Abgereist?«, stammele ich irritiert.
»Ja . Monsieur hat die Rechnung für seine Suite beglichen und ausgecheckt.«
Ich kann nicht fassen, was ich da gerade höre. »Das muss ein Irrtum sein.«
Mit lautem Getöse rast wieder ein Polizeiwagen am Hotel vorbei und ich schaue ihm hinterher, soweit es mir von der Rezeption aus möglich ist. »Was ist denn heute hier los?«, frage ich sichtlich genervt.
»Haben Sie es denn noch nicht gehört? Die Juwelenausstellung wurde heute Nacht ausgeraubt , alle Schmuckstücke wurden gestohlen!«
Ich habe nicht den blassesten Schimmer, wie ich auf mein Zimmer gekommen bin. Völlig verstört lasse ich mich in den Sessel fallen, der nahe dem Fenster steht. Die Sonne hat sich hinter dunklen Wolken verkrochen . Von mir aus kann sie dort bleiben, bis sie schwarz wird.
Ich bekomme es einfach nicht auf die Reihe, was der Concierge mir da gerade erzählt hat. Zu viele Fragen auf einmal stürmen auf mich ein. Warum ist Jean abgereist? Wieso hat er mich ohne ein Wort verlassen? Warum wollte er sich mit mir am Hafen treffen, wenn er vorhatte, abzureisen? Hier stimmt doch etwas nicht!
Ein plötzlicher Energiestoß gibt mir neuen Auftrieb und ich stemme mich aus dem Sessel, laufe in den Flur, zur nächsten Zimmertür. Sie ist nur angelehnt und ich klopfe. Als niemand antwortet, drücke ich sie vorsichtig weiter auf und betrete das Zimmer. Das Bett ist gemacht, ich höre Wasser rauschen aus dem angrenzenden Badezimmer. Ich gehe darauf zu und schaue hinein. Die Umrisse einer Person werden sichtbar, doch es ist nur das Zimmermädchen, das sauber macht. Ihren Wagen vor der Tür habe ich wohl übersehen.
D ie Räume sind bereits für den nächsten Gast hergerichtet, nichts deutet darauf hin, dass hier jemand gewohnt hat. Verdammt, dieser Mistkerl hat mich wirklich ohne Abschied verlassen!
Ich muss aus diesem Gebäude raus, sonst bekomme ich keine Luft mehr. Obwohl sich draußen ein Gewitter zusammenbraut, ist das nicht s gegen den Orkan, der in mir wütet. Aufgewühlt schnappe ich mir meine Tasche und Jacke und fahre ins Erdgeschoss. Nur raus hier.
»Ä hm, Mademoiselle Komarow, einen Moment bitte.«
Der Concierge hält mich am Empfang auf. »Ich habe hier eine Nachricht für Sie.«
Er händigt mir einen elfenbeinfarbenen Umschlag aus. Oh Gott, es war also doch nur alles ein Missverständnis , rauscht es erleichtert durch meinen Kopf.
Ich nehme in der Lobby Platz und sehe
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