Schwindelfreie Luegen
»Wo können wir uns treffen?«, fragt er schnell.
»Nirgendwo, ich fahre heute nach Hause.«
»Bitte, Sylvie, du musst mir eine Chance geben, dir alles zu erklären.«
»Du hast keine Chance verdient. Es tut mir leid.« Ich gehe und öffne die Tür. Inspecteur Chevalier steht davor und zeigt mir ein ungeduldiges Gesicht. »Ich wurde zu einem Einsatz gerufen. Ich muss Sie bitten, sich zur Verfügung zu halten und die Stadt nicht zu verlassen, bis ich meine Befragung beendet habe. Es tut mir leid, Madame, Ihnen solche Umstände zu bereiten. Aber Ihre Aussage ist sehr wichtig. Ich bitte Sie, morgen zum Kommissariat zu kommen.« Er reicht mir seine Visitenkarte. »Sagen wir elf Uhr?«
Einen Augenblick zögere ich, denn eigentlich will ich so schnell wie möglich abreisen, doch dann nicke ich: »Elf Uhr passt mir.«
Chevalier blickt über meine Schulter. »Und was ist mit Ihnen , dʼ Angely? Kann ich Sie mitnehmen?«
Sag bitte ja!
Nicolai hebt abwehrend die Hand. »Danke, Inspecteur, aber ich komme schon klar.«
Chevalier hebt zum Gruß zwei Finger an die Stirn und marschiert mit seiner kleinen Armee von Uniformierten von dannen.
Nachdem ich die Tür geschlossen habe, drehe ich mich um und stemme die Hände in die Hüften. »So wie es aussieht, werde ich heute wohl noch nicht abreisen. Ich möchte aber, dass du jetzt gehst. Es gibt nichts, was ich dir noch zu sagen habe.«
Ohne auf meine Worte zu achten, zieht Nicolai seine Jacke aus und wirft sie auf das Bett , krempelt die Ärmel seines Hemdes auf, tut so, als wäre er hier zu Hause.
»Wir müssen reden«, sagt er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet.
»Jean ... ich meine ... Nicolai, ich will nicht mit dir reden. Ich will nur, dass du endlich dieses Zimmer verlässt.«
»Ich kann verstehen, dass du sauer auf mich bist.«
»Pah, sauer? Das ist wohl kaum der richtige Ausdruck für das, was ich bin.«
Mit den Uniformierten ist offensichtlich auch die Polizistin in mir zur Tür herausspaziert, denn im Moment fühle ich mich nur wie eine Frau, die ihr Herz an den Falschen verloren hat. Ich muss mich unbedingt zusammenreißen und versuchen, so viele Informationen zu bekommen, wie nur möglich. Immerhin bin ich nicht mehr zum Vergnügen in Cannes. Aber ich bin so empört, ich glaube, das wird mir nicht gelingen.
»Okay, was kann ich tun, damit es dir besser geht?«
»Dich in Luft auflösen! Oder sterben, das wäre eine annehmbare Alternative«, antworte ich bissig.
Lachend zieht Nicolai mich in seine Arme, ich will ihn abwehren, aber er ist einfach zu stark für mich. Wenigstens wende ich den Kopf demonstrativ zur Seite und sein rascher Kuss trifft mich nur an der Schläfe, statt, wie wohl beabsichtigt, auf den Mund.
»Ich liebe deinen Humor«, flüstert er mir ins Ohr.
Ich drehe mich geschickt aus seiner Umarmung. Ist der Mann noch zu retten? Mein Blick fällt auf meinen Daumen, an dem ich noch immer seinen Ring trage. Oh nein, den werde ich nicht zurückgeben, sondern einschmelzen, am besten in eine Pfeilspitze, die ich ihm ins Herz ramme. Ich bin so empört und durcheinander, dass ich das dringende Bedürfnis spüre, mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Was ist nur mit mir los?
»Wir haben Informationen erhalten, dass ein Hehler den Auftrag erteilt hat, das Collier aus eurem Tresor in Düsseldorf zu stehlen. Ich habe mich anheuern lassen, um an die Hintermänner zu gelangen.«
Es gelingt mir, ihn zumindest aussprechen zu lassen. Als wenn ich das nicht längst wüsste.
»Was habe ich mit der ganzen Sache zu tun?«, frage ich patzig. Mit verschränkten Armen stehe ich vor ihm und schaue ihm ins Gesicht, bemüht, einen misstrauischen Ausdruck in meinen Blick zu legen.
»Die deutsche Polizei glaubt, dass du deine Hände im Spiel hast, denn es wusste nur ein sehr eingeschränkter Kreis davon, wo das Collier aufbewahrt wird. Sie vermuten, dass du dem Hehler einen Tipp gegeben und mir die Kombination des Tresors verraten hast, weil du angeblich Geld von mir erhalten hast.«
Ich bin fassungslos. Nicht über das, was er gesagt hat, sondern darüber, wie überzeugend meine Kollegen in Deutschland meine Tarnung aufrechterhalten haben. Fast will mich so etwas wie Mitleid zu Nicolai übermannen. Doch ich muss die Charade durchhalten, sonst ist der ganze Auftrag gefährdet.
»Wer um Himmels willen hat sich solch eine Story ausgedacht? Sehe ich aus, als hätte ich ein Schweizer Nummernkonto oder würde mein Geld auf die Caymans
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