Schwindelfreie Luegen
schnell verlassen möchte. Fast wäre mir danach, fröhlich lachend durch Pfützen zu springen.
Für d ie letzte Nacht fehlen mir einfach die Worte, ich weiß schlicht nicht, womit ich sie vergleichen kann. Ganz sicher mit nichts, was ich bisher erlebt habe. Die Erinnerung an die Zärtlichkeiten, mit denen mich Jean fast die ganze Nacht verwöhnte, das Gefühl, als würden seine Hände noch immer meinen Körper erkunden und ihm Empfindungen entlocken, wie ich sie noch nie erlebte, zaubert mir ein anhaltendes Lächeln ins Gesicht. Ich stehe hier in meiner Dusche und grinse wie ein Honigkuchenpferd. Oh mein Gott, selbst wenn er mich heute verlassen sollte, bliebe mir die letzte Nacht für den Rest meines Lebens.
Warme große Hände legen sich plötzlich von hinten auf meine Brüste und ich spüre Jeans festen Körper an meinem Rücken. Seine fein definierten Muskeln fühle ich an jedem Zentimeter meiner Haut, so fest presst er mich an sich, als er meinen Hals küsst.
»Du warst nicht da, als ich aufgewacht bin«, haucht er mir ins Ohr. »Das hat mich betrübt.« Er seufzt, als er sein Gesicht zärtlich in meine Halsbeuge drückt. »Es wäre so wunderbar, wenn es immer so zwischen uns sein könnte!«
Ich grinse. »Immer – das ist ein Wort, das wir aus unserem Wortschatz streichen sollten.«
»So? Und welches passt deiner Meinung nach zu uns?«, fragt er, als er beginnt, meine Schultern einzuseifen.
»Ich finde gelegentlich, zufällig und abenteuerlich passen wesentlich besser zu uns. Meinst du nicht auch?« Behutsam drehe ich mich in seinem Armen um und schaue ihm fragend ins Gesicht.
»Mir gefallen andere Worte viel besser, zum Beispiel: Vertrauen, Partnerschaft, Liebe.«
Ich schließe die Augen und lasse das Wasser über mein Gesicht laufen. Nein, er soll nicht von Liebe reden, die keine Zukunft hat.
»Jean «, weiche ich aus, »wir beide leben in zwei verschiedenen Welten.«
Er stellt das Wasser ab. »Hat es dir heute Nacht nicht gefallen?«
Sehe ich da wirklich so etwas wie Unsicherheit in seinem Blick? Wie kann er nur so denken? Hat er denn nicht gespürt, wie ich für ihn empfinde?
»Es war die schönste Nacht meines Lebens und noch in hundert Jahren werde ich mich an jede Sekunde erinnern.«
»Ich lie...«, setzt Jean an, doch ich berühre mit meinem Zeigefinger seine Lippen, bringe ihn so zum Schweigen.
»Bitte nicht«, schüttele ich den Kopf . Es fühlt sich irgendwie nicht richtig an. „Lass uns einfach nicht darüber nachdenken. Es ist zu früh dafür. Wir kennen einander doch kaum.«
Stumm nic kt er, streichelt mit beiden Händen mein Gesicht und küsst mich zärtlich. Dann starrt er mich einen Atemzug lang an, als würde er diesen Augenblick in sein Gedächtnis brennen, und sagt: »Sylvie, was immer auch in Zukunft geschehen wird – denk daran, was ich für dich empfinde. Ich möchte, dass du das nie vergisst und dass du dieses Geschenk hier annimmst.«
Dann zieht er seinen Ring ab und steckt ihn mir an den Finger. Da er viel zu groß ist, streift er ihn mir über den Daumen.
»Jean, das ... das kann ich nicht annehmen ... ich weiß jetzt nicht ... bitte, sage mir, was das bedeuten soll.«
»Es bedeutet, dass du zu mir gehörst. Für immer. Vergiss das nie.«
Nachdem wir uns ein weiteres Mal zärtlich und lang geliebt haben, ist Jean schließlich in sein Zimmer verschwunden, um sich umzuziehen. Ich stehe nackt am Fenster meines Hotelzimmers und blicke auf den Ring an meinem Daumen. Schon höre ich Alexejs Stimme wieder in meinem Kopf, ob Jean mir schon die Geschichte seines Rings erzählt hat. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Aber ich vertraue Jean mehr als diesem Alexej, der mich an die russische Mafia erinnert, und daran, was ich wirklich bin.
Irritiert schüttele ich die Gedanken ab, dusche noch einmal kurz und lege meine Sachen aufs Bett, um mich anzukleiden. Jean und ich wollen heute das Meeresmuseum auf St. Marguerite besuchen. Es ist im Fort Royal untergebracht, wo einst der Mann mit der eisernen Maske festgehalten wurde.
Ich freue mich auf den Ausflug, weil mich historische Orte rasend interessieren. Während ich mich anziehe, glitzert Jeans Ring an meinem Daumen und ich muss immer wieder innehalte, um ihn zu bewundern. Wenn es ein dunkles Geheimnis um diesen Ring gibt, dann hat dies nichts mit mir zu tun. Ich muss mir abgewöhnen, immer alles so skeptisch zu hinterfragen. Energisch verscheuche ich mit einem letzten Kopfschütteln die dunklen Gedanken. Ich
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