Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Kräften und mit allen Mitteln, die dem Verlag zur Verfügung stehen, nicht zuletzt Anwälten, muss Barbro Andersson bekämpft werden. Ihr eine Abfindung vorzuschlagen wäre völlig zwecklos. Lillemor weiß nur zu gut, dass Babba sich nicht viel aus Geld macht, und schließlich würde sie, wenn diese ungerechte Schilderung auf den Markt käme, traumhaft viel verdienen. Der einzige Ausweg besteht darin, zu leugnen und zu behaupten, sie sei einem fürchterlichen Übergriff ausgesetzt und es sei alles nur erfunden. Lillemors Gehirn formuliert bereits den Angriff: Früher fiel man über tote Autoren her und fabulierte Enthüllungen aus ihrem Leben zusammen. Und heute fällt man also über die lebenden her. Barbro Andersson, die mir in jungen Jahren beim Maschineschreiben geholfen hat, ist darin eine Pionierin.
Babbas Bild von Lillemors Leben ist vielleicht nicht in allen Teilen unwahr, aber es ist gefälscht und ungerecht – und vor allem snobistisch. In ihren eigenen Augen ist Babba ein Genie, ebenso wie dieser dunkle Geiger. Eine bessere Sorte Mensch, nicht entwürdigt vom Maschineschreiben oder Textverarbeitungsprogramm des Computers, vom Wörterbuch der Schwedischen Akademie, von Sprachlehre, Vertragsverhandlungen und Korrektur, von Interviews, Präsentationen und Buchmessenauftritten. Auch nicht vom Fotografiertwerden. Vor allem nicht davon. Das Genie ist nämlich nicht fotogen – um es behutsam auszudrücken. Und außerdem hat diese genialische Künstlerseele eine Heidenangst vor Rezensionen. Ihren ganzen Lebensweg hat sie ihr großes Ego dadurch im Gleichgewicht gehalten, dass sie allen Belastungen auswich und Leute verachtete, die derlei aushalten mussten. Deshalb versteckt sie sich.
Lillemor sieht eklige Bilder vor sich: eine schmutzige Kakerlake im Müll, einen Mehlkäfer zwischen seinen eigenen Exkrementen in einer Packung Haferflocken. Das Leben im Dämmerlicht hebt die Kakerlake über andere hinaus. Da unten im Müll, den sie ihre Nahrung nennt, adelt sie sich selbst. Doch jetzt wird sie erschlagen, so wie sie ihrerseits die kahlköpfige Ratte erschlagen hat, die in der Dämmerung auf den Rasen in Solbacken gekrochen kam, um Rührkuchen zu fressen.
Heringstäubling Drambuie
Eine Villa brauchte ich und eine Einladung zu einem Diner mit Bonzen aus der sozialdemokratischen Kommunalverwaltung und der Wirtschaft, die eine innige Koalition eingegangen waren, auch wenn man dies in Wahlzeiten nicht gerade an die große Glocke hängte. Ich wollte mit dem nächsten Band der Kuckucksspeichelserie anfangen, nachdem das Manuskript des dritten jetzt fertig war. Lillemor war strikt dagegen, dass ich schon an einem neuen Band schrieb, bevor der dritte erschienen war und wir gesehen hätten, wie er aufgenommen wurde. Ein Roman ist aber kein neues Automodell, das um jeden Preis so vielen Käufern wie möglich angedreht werden muss. Vielmehr muss er geschrieben werden, wenn er einem in den Schoß fällt oder noch besser in den Kopf kommt und dort wie eine hartnäckige Melodie erklingt.
Als ich mit meinem Geiger im Schweden der ärmlichen Stunden unterwegs gewesen war, hatte sie mich ganz erfüllt. Ich wollte eines der Kinder aus Kuckucksspeichel als erwachsene Frau von weither in dieses Land zurückkehren lassen, wo Leute wie Sune für die Politik, das Schulwesen und Entwicklungsfragen und nicht zuletzt für die Betonierung, Asphaltierung und Giftverklappung verantwortlich waren. Er war ein stattlicher und gut gebauter Mann von zweiundfünfzig Jahren, der stets den Eindruck machte, etwas zu repräsentieren. Weil ihm mal eine Amsel aus der Hand gefressen und er ein aus dem Nest gefalle-nes Eichhörnchen aufgezogen hatte, sollte man eigentlich glauben, dass er ein Händchen für Kinder und Tiere hätte, aber dem war nicht so. Wenn er dem seligen Jeppe den Kopf getätschelt hatte, war der Hund aufgestanden und hatte sich geschüttelt, und Tompa stahl seinem Vater Geld, statt ihn darum zu bitten.
Auch wenn Kinder und Tiere Sune gegenüber skeptisch waren, auf ihn hatte ich es nicht abgesehen. Ich war nicht mal sonderlich neugierig auf ihn. Was mich interessierte, waren der Umgang und die Atmosphäre in dieser dicht gedrängten Machtkonstellation. Ich sollte von Sune jedoch mehr abkriegen, als ich mir hatte träumen lassen, nachdem ich zu dem Haus in Borlänge und dem dortigen Leben endlich Zutritt hatte. Allerdings erfasste ich das nicht ganz. Nicht auf Anhieb.
Als sie ein Diner geben wollten, das Lillemor eine große
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