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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Sprache mangelt und sie höchstens mündlich unterhaltsame Anekdoten zustande bringt. Sondern auch deshalb, weil sie ein Geschöpf Babbas ist. Wie sie geht und steht, ist sie vermutlich dazu geworden. Wenn man jemanden so früh mit Beschlag belegt, wie sie es mit mir getan hat, denkt Lillemor, dann produziert man nicht nur eine Puppe, sondern einen Menschen, der sich nie anders verhalten wird, als sein Gestalter es von ihm erwartet. Möglicherweise geht er daran kaputt.
    Wie erging es Olympia? Fiel sie am Ende nicht als scheppernder Schrotthaufen in sich zusammen?
    Ein erschreckender Gedanke. Sie muss weiterlesen, denn sie hat jetzt das Gefühl, nur dort im Text vor dem Zerfall geschützt zu sein.

Maiblumen Allers Fahrrad
    Ich konnte mit Lasse nicht noch mal nach Bånn fahren, denn meine Mutter rief an und sagte, ich müsse nach Hause kommen. Mein Vater sei krank. Als ich jedoch heimkam, sagte niemand was von seiner Krankheit. Er sah aus wie immer, war allerdings magerer und schien gereizt zu sein. Sobald wir gegessen hatten, ging er schlafen, was ich merkwürdig fand. Ich glaube, es war höchstens acht Uhr.
    »Wir müssen das Haus verkaufen«, sagte meine Mutter, als wir allein in der Küche waren. »Hilf mir bitte beim Ausmisten.«
    »Ich begreife nicht, warum«, sagte ich.
    »Nein, du begreifst natürlich nichts«, erwiderte sie und schien jetzt genauso gereizt zu sein wie mein Vater. »Wie sollen wir den Kasten denn in Schuss halten? Überall leckt es, die Fensterrahmen müssten gestrichen werden, der Garten wächst zu.«
    »Ein richtiger Garten war das ja wohl nie«, sagte ich. »Ein bisschen Flieder und so.«
    Da wurde sie böse. »Du wirst morgen beizeiten aufstehen, und dann werden wir von oben bis unten ausmisten. Hast du verstanden?«
    Meine Eltern waren Menschen, die ein ruhiges Leben führten, und meine Mutter war in aller Regel besonnen. Den rasenden Dämon, der am nächsten Vormittag Zeitungspacken und alte Schuhe in Kartons aus dem Konsum vom Dachboden herunterbeförderte, erkannte ich nicht wieder. Die Erklärung erfolgte in kleinen Wutausbrüchen: »Begreifst du denn überhaupt nichts? Wie soll er den Kasten denn in Schuss halten? Er stirbt!« Das Letzte zischte sie nur, damit er es nicht hörte. Er lag noch im Bett. Es war alles so merkwürdig. Ich wusste doch, dass er Prostatakrebs hatte.
    »Ach ja, das weißt du! So viel hast du immerhin an uns gedacht, dass du dich noch erinnerst, dass dein Vater Krebs hat!«
    »Aber das ist doch lange her«, entgegnete ich. »Es hieß doch, er würde noch lange damit leben können. Zehn Jahre, hat der Doktor gesagt, glaube ich.«
    »Diese zehn Jahre sind um.«
    Ja, natürlich waren die mittlerweile um. Ich schämte mich. Er hatte im Schatten dessen gelebt, was der Doktor gesagt hatte, und nun sollte er davon verschlungen werden. Ich wollte nicht auf diese Art an ihn denken. Er war doch mein Vater, nicht irgendeiner, der einem leidtat. Aber jetzt tat er mir leid. Mir ging durch den Kopf, dass er Knut hieß und hier im Haus geboren worden war. Das wusste ich. Aber sonst? Von der langen Zeit, bevor er im Werk angefangen hatte, wusste ich nicht viel. Und warum hatte er gerade dieses Leben mit den Leihbibliotheksbüchern und meiner Mutter bekommen? Noch konnte ich ihn fragen, wusste aber, dass ich es nicht tun würde.
    Jetzt mussten wir unser Leben aus dem alten Kasten ausmisten. Unmengen von Zeugs, Kram und Plunder waren da. Mein Vater hatte sogar krumme Nägel aufgehoben, die er irgendwann geradebiegen und wieder verwenden wollte. Alte Klamotten. Wacklige Tische und zerschlissene Sonnenstühle. Blumentöpfe. Schulbücher, bei deren bloßem Anblick mir schon übel wurde. Und da war auch noch das rosarote Kinderfahrrad. Ob meine Mutter in dem Moment, als ich es aus dem Keller hochschleppte, die Idee kam, mich zur Rede zu stellen? Ich weiß es nicht.
    Es war wieder wie am Abend zuvor. Nachdem wir Salzheringe mit weißer Soße und Pellkartoffeln gegessen hatten, ging mein Vater schlafen. Er hatte im Übrigen nicht viel zu sich genommen.
    Meine Mutter kochte Kaffee und fragte, mit dem Rücken zu mir: »Sag mal, wovon lebst du eigentlich?«
    »Das weißt du doch«, antwortete ich. »Ich schreibe Artikel.«
    »Und wo?«
    »Das habe ich doch schon mal gesagt. Im Arbetarbladet und Gefle Dagblad und – ja, noch ein paar anderen.«
    »Man sieht nie was davon«, sagte sie.
    »Nein, ihr habt ja nur Nya Norrland. «
    »Es gibt Bibliotheken.«
    Eine Weile war es sehr still.

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