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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Mumm
    der Venusblume, Satyrium.
    Mir wurde allmählich speiübel. Das Letzte, was ich hörte, bevor ich hinausging, um die Tanten zu verabschieden und sie vor dem unbeschrankten Bahnübergang zu warnen, war, wie Lasse mit grollendem Bass lallte:
    Sieh meinen Kürbis, die Haltung, den Schmiss!
    Noch höher er schießt, gar stattlich er sprießt.
    Jetzt war mir richtig schlecht, und es war angenehm, für einen Moment an die frische Luft zu kommen. Als ich zurückkam, waren sie weg, und es war still im Haus. Ich war auf der Hut, stand still in dem Durcheinander in der großen Stube und starrte auf den Tisch voller Gläser, Flaschen und Teller mit abgenagten Rippchen. Da war ein unmissverständliches Geräusch zu hören. Im Giebelzimmer über mir krachte das Bett. Dann hörte ich Lillemor kichern. Wieder ein Krachen und ein langes Stöhnen von Lasse. Und wieder ein Kichern.
    Ich konnte nicht länger zuhören. Ich ging hinaus in die nächtliche Kühle und wusste, dass ich hier wegmusste. Ich hatte jedoch kein Auto, da ich ja mit Lasses Isuzu zum Kulturhaus gekommen war. Also ging ich zum Steg hinunter und machte das Boot los.
    Es war alles so einfach. Es hätte komisch sein können. Aber damals konnte ich das nicht so sehen. Der Schmerz war unfassbar. Ich war voll wütender Energie und begriff, dass sie nicht lange anhalten würde, deshalb war Eile geboten. Ich ruderte, was ich konnte, bis ans Ende der Bucht, stieg aus dem Kahn und schob ihn ins Wasser zurück. Der Wind war ablandig, und der Kahn trieb hinaus, Meter für Meter, absichtslos. Etwas, was man von sich stößt und der Windschaukel des Zufalls überlässt. Wenn nur alles so einfach gewesen wäre. In menschliche Verhältnisse mischt sich jedoch immer Praktisches. Alltäglichkeiten, denen man nicht entkommt.
    In bitterer Morgendämmerung stiefelte ich eine ansteigende Lehde hoch und überquerte, ohne auch nur zu horchen oder nach rechts und links zu schauen, das Bahngleis. Von einem Zug zu Brei gemacht zu werden, das wäre  natürlich eine großartige Geste gewesen. So denke ich jetzt. Damals stiefelte ich bloß drauflos, gelangte zur Schotterstraße nach Lostbyn und trabte im Laufschritt die Steigung hinauf. Im Haus angekommen, zog ich aus dem Spülschrank große Papiertragetaschen vom Konsum hervor. Irgendein Teil meines Gehirns hatte sich das ausgedacht, während sich im Rest der Verrat einätzte.
    Wir sind wie Beutel. Häng uns auf, und schon fährt der Wind in uns. Wir bewegen uns in den Gebärden der Liebe. Rascheln in denen des Verrats. Der Schmerz indes trifft auf keinen leeren Beutel. Er schneidet ins Fleisch.
    In die Tragetaschen packte ich sein Zeug. Jede Unterhose, jedes saubere und jedes schmutzige Hemd. Bis hin zu der Tube mit dem Wachs, womit er seine schwarzen Schnurrbartenden spitzte. Turnschuhe. Schwarze Schuhe. Schallplatten. Kassetten. Seine blöde rosarote Zahnbürste. Rasierzeug. Das Buch über Tonalitätsprobleme in der schwedischen Volksmusik. Krimis in aufgeplatzten Pappbänden. Als ich daran dachte, was sie in Örnäs gerade trieben, an ihren hastigen Genuss, seine Stöße, seine Ejakulation, hätte ich am liebsten das Küchenbeil von der Holzwand genommen, um damit ins Sommerhaus hinunterzugehen und es durch Haare, Kopfhaut, Knochen und Hirnsubstanz zu treiben.
    Das war freilich bloß Beutelgeknatter im Wind. Mein Fleisch, meine Knochen und meine tätigen Muskeln packten sein Leben in fünf Tragetaschen vom Konsum, drei von ICA plus eine vom Spirituosenladen.
    Ich stellte alles auf die hopfenberankte Vortreppe und habe noch immer ihr Bild vor Augen. Folglich muss ich eine Weile dagestanden und sie angestarrt haben. Verhandelte ich mit mir über ein Zurück? Ich glaube nicht. Mein Ekel war zu stark. Ich musste weg von dort.
    Bei Herausforderungen kann man so allerlei in sich entdecken, wovon man nichts gewusst hat. Ich verstand nun die Abscheu, die manche vor Prostituierten empfinden. Verstand in gewisser Hinsicht den jahrhundertealten, ja jahrtausendealten Wachdienst um die Reinheit der unberührten Frau. Hier ging es jedoch um einen Mann. Er war jetzt benutzt und beschmutzt. Sein Spermafluss, seine schweißfeuchte Haut, sein Speichel waren eklig. Er hatte aus Spaß das gemacht, was wir im Ernst taten. Er würde am Vormittag zum Lostgården heraufgestiefelt kommen und versuchen, alles wegzulachen. Sagen, er sei volltrunken und dumm gewesen und verstehe nicht, warum er sich so idiotisch aufgeführt habe. Und ich hätte, wenn ich

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